Leitsatz

Die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG kann bei einer Leistung gegenüber einer nahestehenden Person, die aber voll zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, nicht zur Anwendung kommen, da keine Gefahr einer Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung besteht.

 

Sachverhalt

Die Kläger errichteten einen Schweinestall (Gebäude und Betriebsvorrichtungen), den sie an den vorsteuerabzugsberechtigten Sohn vermieteten. Als Miete für den individuell hergerichteten Stall wurden monatlich 6.500 EUR (netto) zuzüglich Umsatzsteuer vereinbart. Aus der Errichtung des Stalls wurde von den Klägern der Vorsteuerabzug vorgenommen. Nach einer Betriebsprüfung setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer aufgrund der Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 UStG fest, da die Leistung an eine nahestehende Person ausgeführt würde und eine marktübliche Miete nicht ermittelbar sei. Dabei verteilte das Finanzamt die Herstellungskosten des Gebäudes auf 10 Jahre (gem. § 10 Abs. 4 Nr. 2 Satz 3 UStG), bzw. für die Betriebsvorrichtungen auf 5 Jahre - den jeweils maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum. Dadurch erhöhten sich die Bemessungsgrundlage und die geschuldete Umsatzsteuer erheblich. Die Klage richtet sich gegen die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage.

 

Entscheidung

Das Finanzgericht hat der Klage stattgegeben. Im vorliegenden Fall kann die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG nicht zur Anwendung kommen.

Das Finanzgericht stellte fest, dass zwar eine Vermietung an eine nahestehende Person ausgeführt wird und damit grundsätzlich die Mindestbemessungsgrundlage angewendet werden könnte. Auch die vom Finanzamt durchgeführte Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Höhe nach wurde vom Finanzgericht nicht bemängelt. Allerdings bezweifelt das Finanzgericht aufgrund gemeinschaftsrechtlicher Vorgaben die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage bei Leistungen gegenüber vorsteuerabzugsberechtigten Personen.

Die Mindestbemessungsgrundlage ist aufgrund einer Ermächtigung zur 6. EG-Richtlinie umgesetzt worden. Dies setzt aber voraus, dass die Steuererhebung vereinfacht wird oder eine Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung verhindert wird (vgl. EuGH, Urteil v. 29.5.1979, C-63/96 - Skripalle, BStBl 1997 II S. 841 sowie EuGH, Urteil v. 26.4.2012, C-621/10 - Balkan and Sea Properties, UR 2012 S. 435). Insbesondere in der letzten Entscheidung hat der EuGH festgestellt, dass eine solche Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung nur auf der Endverbrauchsstufe vorhanden sein kann. Da der Leistungsempfänger ein zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer ist, kann deshalb nach Auffassung des Gerichts die Mindestbemessungsgrundlage nicht zur Anwendung kommen.

 

Hinweis

Die Mindestbemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 5 UStG setzt eine entgeltliche Leistung an eine nahestehende Person oder an das Personal voraus. Allerdings darf sie nur dann angewendet werden, wenn das tatsächlich entrichtete Entgelt niedriger ist als ein marktübliches Entgelt. Strittig war, ob der volle Vorsteuerabzug des Leistungsempfängers die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage ebenfalls ausschließt. Dies hatte der BFH (Urteil v. 24.1.2008, V R 39/06, BStBl 2009 II S. 786) zwar zu einem Fall, der in 1995 vorgefallen war, abgelehnt. Das Finanzgericht hat aber erhebliche Zweifel, dass der BFH seine Rechtsprechung vor dem Hintergrund der neuen Rechtsprechung des EuGH aufrecht erhalten kann. Insbesondere auch deshalb, da die Bemessungsgrundlage für unentgeltliche Wertabgaben seit 2004 eine Verteilung der Anschaffungs- und Herstellungskosten auf den maßgeblichen Vorsteuerberichtigungszeitraum vorsieht.

In der Praxis ist zu beachten, dass in den Fällen der vollen Vorsteuerabzugsberechtigung des Leistungsempfängers eigentlich ein steuerliches Problem nicht vorhanden ist, da auch bei Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage der leistende Unternehmer den auf die Mindestbemessungsgrundlage entfallenden Steuerbetrag als Vorsteuer abziehen kann. Der leistende Unternehmer hat nach § 14 Abs. 4 Satz 2 UStG die Mindestbemessungsgrundlage und den darauf entfallenden Steuerbetrag in seiner Rechnung anzugeben.

Die Entscheidung des Finanzgerichts entspricht nicht der Rechtsprechung des BFH, deshalb ist Revision zugelassen worden. Es muss abgewartet werden, ob der BFH seine Entscheidung aus 2008 aufheben wird - zu begrüßen wäre dies, da das Urteil v. 24.1.2008 eigentlich schon aus damaliger Sicht systematisch nicht überzeugend war.

 

Link zur Entscheidung

FG München, Urteil vom 27.11.2012, 2 K 3380/10

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