Leitsatz

1. Die Durchführung einer Berufsausbildung i.S.v. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG setzt voraus, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden.

2. Eine kindergeldschädliche Unterbrechung der Berufsausbildung ist gegeben, wenn ein später rechtskräftig verurteiltes Kind sich in Haft befindet und sich während dieser Zeit von seinem Studium hat beurlauben lassen.

 

Normenkette

§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a, § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG

 

Sachverhalt

Der 1982 geborene Sohn (S) der Klägerin war seit dem Wintersemester 2002/2003 zum Studium der Rechtswissenschaften an der Universität in Z immatrikuliert. Er war vom Wintersemester 2003/2004 bis einschließlich Sommersemester 2005 beurlaubt. Ab dem Wintersemester 2005/2006 hat er sein Studium fortgesetzt.

S wurde am 12.8.2004 vom Landgericht Z wegen unerlaubten Handelns mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Ausweislich der Urteilsgründe war er in den Drogenhandel mit Haschisch eingebunden und hatte am 26.6.2003 Haschisch und Ecstasytabletten mit einem Marktwert von 100.000 EUR von A nach Z befördert. S war am selben Tag festgenommen worden, befand sich zunächst in Untersuchungshaft und ab dem 26.1.2005 in Strafhaft. Ab August 2005 war er im sog. "offenen Vollzug". Das Landgericht U setzte mit Beschluss vom 17.1.2006 den Rest der Strafe vorzeitig zur Bewährung aus. Mit Beschluss vom 5.2.2009 wurde die ausgesetzte Reststrafe erlassen.

Die Familienkasse hob die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Juli 2003 bis September 2005 nach § 70 Abs. 2 EStG auf und forderte überzahltes Kindergeld i.H.v. ... EUR von der Steuerpflichtigen zurück.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 6.7.2010, 10 K 10288/08, Haufe-Index 2381918, EFG 2011, 152).

 

Entscheidung

Die Revision der Klägerin war unbegründet.

Der BFH führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG ("ausgebildet wird") stelle nicht auf das formale Weiterbestehen eines Ausbildungsverhältnisses ab, sondern darauf, dass auf die Ausbildung gerichtete Maßnahmen tatsächlich durchgeführt werden. Daran fehle es im Streitfall.

 

Hinweis

Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG wird ein Kind, das das 18., aber noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet hat (im Streitfall 27. Lebensjahr), bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen beim Kindergeldberechtigten berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird.

Eine Kindergeldfestsetzung ist nach § 70 Abs. 2 EStG bei einer Änderung der für den Anspruch auf Kindergeld erheblichen Verhältnisse mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben oder zu ändern.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 23.1.2013 – XI R 50/10

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