Leitsatz

1. Verpachtet ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes von ihm errichtete Verkaufsstellen an Personen, die keine Angestellten des Unternehmens sind, sondern auf Provisionsbasis im Rahmen einer selbstständigen und eigenverantwortlichen Handelsvertretertätigkeit u.a. Produkte des Unternehmens veräußern sowie Eigengeschäfte ausführen, kann das Unternehmen des Produzierenden Gewerbes für die Stromentnahmen in den Verkaufsstellen keine Stromsteuervergünstigungen nach § 9 Abs. 3 und § 10 Abs. 1 StromStG erhalten. Unternehmen i.S.d. § 2 Nr. 4 StromStG ist die Verkaufsstelle. Für diese Beurteilung ist es grundsätzlich unerheblich, ob die Pächter im eigenen oder fremden Namen auftreten und in ein Vertriebsnetz und Verkaufskonzept eingebunden sind.

2. Für die stromsteuerrechtliche Beurteilung als kleinste rechtlich selbstständige Einheit und für die Einstufung als Unternehmen ist es nicht erforderlich, dass diese Einheit aus handels- oder steuerrechtlichen Gründen Bücher führt und Bilanzen erstellt. Der stromsteuerrechtliche Unternehmensbegriff ist nicht deckungsgleich mit dem umsatzsteuerrechtlichen Unternehmensbegriff oder dem Begriff der Betriebsstätte in § 12 AO.

3. Zur Auslegung des in § 9 Abs. 3 und § 10 Abs. 1 StromStG verwendeten Unternehmensbegriffs ist auf die mit diesen Regelungen verbundene stromsteuerrechtliche Zielsetzung abzustellen; er orientiert sich auch an den Vorgaben der Klassifikation der Wirtschaftszweige.

4. Die Möglichkeit, dass innerhalb eines Betriebsgeländes entnommene Strommengen auf verschiedene vergütungsberechtigte Unternehmen aufgeteilt werden können, erscheint nicht als von vornherein ausgeschlossen.

5. Eine Prüfungsanordnung wegen Verbrauchsteuervergünstigungen muss die einzelnen Verbrauchsteuern nicht gesondert aufführen, wenn aufgrund des Geschäftsbetriebs des Unternehmens sowie aufgrund beantragter und erteilter Erlaubnisse keine Zweifel bestehen können, welche Verbrauchsteuerarten Prüfungsgegenstand sind.

6. Eine Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 S. 1 AO tritt nur ein, wenn u.a. qualifizierte Ermittlungshandlungen zumindest zu einem von mehreren Prüfungsgegenständen vorgenommen worden sind, die für den Steuerpflichtigen i.S.d. §§ 193 ff. AO als Prüfungshandlungen erkennbar sind und geeignet erscheinen, sein Vertrauen in den Ablauf der Verjährungsfrist zu beseitigen. Findet neben der Übergabe der Prüfungsanordnung eine intensive Besprechung über die bevorstehende Prüfung statt und werden steuerlich relevante Dateien angefordert und ausgewählte Teilbereiche eines Prüfungsjahrs angesprochen sowie das weitere Vorgehen erörtert, hat die Außenprüfung im o.g. Sinn begonnen.

 

Normenkette

§ 2 Nr 4, § 9 Abs. 3, § 10 Abs. 1 StromStG, § 169 Abs. 1, § 171 Abs. 4 AO

 

Sachverhalt

Ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes lässt seine Produkte durch ein Netz von im Eigentum des Unternehmens stehenden Verkaufsstellen vertreiben. Diese verkaufen die Waren im Namen und für Rechnung des Unternehmens. Der Verkauf und die sonstige Betreuung der einzelnen Verkaufsstellen obliegt jedoch Dritten, die keine Arbeitnehmer des Unternehmens sind, sondern selbstständige Handelsvertreter und die Verkaufsstellen zur "Pacht" übernommen haben. Sie erhalten eine Umsatzprovision und haben das Recht, neben dem Vertrieb der Produkte des Unternehmens weitere Produkte und Dienstleistungen auf eigene Rechnung anzubieten.

Das HZA sieht den von dem Unternehmen für den Betrieb der Verkaufsstellen bezogenen Strom als nicht steuerbegünstigt an, weil der betreffende Stromverbrauch nicht als begünstigte Entnahme für betriebliche Zwecke des Unternehmens des Produzierenden Gewerbes anzusehen, sondern den einzelnen Verkaufstellen als stromsteuerrechtlich eigenständigen Unternehmen zuzurechnen sei.

 

Entscheidung

Der BFH hat diese Beurteilung aus den in den Praxis-Hinweisen dargestellten Gründen für zutreffend erachtet.

 

Hinweis

1. Die in den Energiesteuergesetzen zum "Schutz des Produzierenden Gewerbes vor globaler Konkurrenz" gewährte steuerliche Privilegierung ist unternehmensbezogen, nicht vorgangsbezogen: sie wird nicht für die Verwendung von Energie für die Produktion, sondern für die Verwendung von Energie in einem Unternehmen gewährt, wenn es nach der maßgeblichen Kategorisierung dem Schwerpunkt seiner Tätigkeit nach zum Produzierenden Gewerbe gehört. Von der Unternehmensbezogenheit der Steuerbegünstigung ist insbesondere auch das BVerfG in seinem Urteil vom 20.04.2004, 1 BvR 905/00 ausgegangen, in dem es die Steuerbefreiung des Betriebs eigener Kühlhäuser eines solchen "durch die Produktion geprägten" Unternehmens geprüft (und verfassungsrechtlich trotz der Besteuerung der Energieverwendung durch den Betrieb von Kühlhäusern als Gewerbe gebilligt) hat.

Folglich gewinnt für die Reichweite der dem Produzierenden Gewerbe in Aussicht gestellten energiesteuerlichen Begünstigung die Frage entscheidende Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen an sich nicht produzierende Betriebe/Betriebsteile stromsteuerrechtlich als Teil eines Unter...

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