Der Fall:
Der Arbeitgeber versetzte den Arbeitnehmer ab dem 1.11.2014 "für mindestens 2 Jahre, gegebenenfalls auch länger" vom Betriebssitz M in die 487 km entfernte Niederlassung G. Der Arbeitnehmer klagte gegen die Versetzung, erbrachte aber nach Aufforderung des Arbeitgebers seine Arbeitsleistung in G. Der Arbeitnehmer fuhr wöchentlich am Sonntag von seinem Hauptwohnsitz in R nach G und jeweils freitags wieder zurück. Am 20.5.2016 stellt das LAG Hessen rechtskräftig die Unwirksamkeit der Versetzung fest. Dennoch setzte der Arbeitgeber den Arbeitnehmer weiterhin von Juni bis September 2016 in G ein.
Der Arbeitnehmer verlangte zuletzt noch Erstattung der Reisekosten für wöchentliche Heimreisen von Juni bis September 2016. Er verlangt 0,30 EUR pro gefahrenen Kilometer für unstreitig gefahrene 15.540 km, d. h. 4.662 EUR. Weiterhin verlangt er Tagegelder für dieselbe Zeit auf Basis einer "Montageregelung" des gültigen MTV.
Rechtskräftig entschieden wurde bereits über Kosten der Unterkunft in G sowie Fahrtkosten für Heimfahrten während der Zeit der Versetzung.
Die Entscheidung[1]:
Das BAG hat der Klage nur hinsichtlich der Reisekosten in voller Höhe stattgegeben. Rechtsgrundlage ist ein Schadenersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB. Danach kann der Gläubiger vom Schuldner, der eine Pflicht aus dem Schuldverhältnis verletzt, Ersatz des hierdurch entstehenden Schadens verlangen. Eine Pflichtverletzung des Arbeitgebers ergibt sich durch die rechtswidrige Versetzung von M nach G, an der der Arbeitgeber auch nach rechtskräftigem Urteil noch bis in den Oktober festgehalten hat.
Das BAG stellt auch fest, dass kein Mitverschulden des Arbeitnehmers besteht, weil er der Versetzung Folge leistete. Zwar könne er nach der neueren Rechtsprechung des BAG bei einer unbilligen Weisung die Arbeitsleistung verweigern. Er riskiere im laufenden Arbeitsverhältnis aber Sanktionen durch Abmahnungen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Diesen Risiken müsse er sich nicht aussetzen.
Auch habe keine Schadensminderungspflicht des Arbeitnehmers dahingehend bestanden, seinen Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in R aufzugeben, zumal er "nur vorübergehend" versetzt werden sollte und die Unwirksamkeit der Versetzung im September/Oktober bereits rechtskräftig feststand.
Der Schadenersatzanspruch richtet sich nach § 251 Abs. 1 BGB auf eine Entschädigung in Geld. Für die Schadenschätzung durch das Gericht nach § 287 Abs. 1 ZPO war die Ermittlung der Aufwendungen nach steuerlichen Gesichtspunkten zulässig. Diese ist auch unter Heranziehung von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsG (JVEG), der berufliche Fahrten mit 0,30 EUR pro gefahrenem Kilometer regelt, angemessen und nachvollziehbar. Mit dem Kilometersatz sind nicht nur die Betriebskosten des Fahrzeugs, sondern auch die Anschaffungs- und Unterhaltskosten des PkW abgegolten.
Die Frage etwaiger ersparter Aufwendungen, z. B. durch Abzug der Kosten, die ohne die Versetzung für die Fahrt vom Hauptwohnsitz zur Arbeitsstätte in M entstanden wären, waren mangels Sachvortrag des Arbeitgebers nicht zu berücksichtigen.
Für die Zahlung von Tagegeldern sah das Gericht hingegen in § 10 des MTV keine ausreichende Rechtsgrundlage. Insofern fehlte es auch an ausreichendem Sachvortrag des Arbeitnehmers.
Bedeutung für die Praxis:
Immer wieder kommt es vor, dass Arbeitgeber räumliche Versetzungen aussprechen, die sich im Nachhinein als unwirksam erweisen. Hat der Arbeitnehmer diese Versetzung aber zunächst befolgt, um keine arbeitsrechtlichen Risiken einzugehen, sind ihm oft erhebliche Kosten durch den Ortswechsel entstanden.
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