Zusammenfassung

 
Überblick

Der Begriff des Treaty Shopping stammt aus dem amerikanischen Steuerrecht und beschreibt eine steuerliche Gestaltungsmaßnahme, durch die sich eine Person oder Personenvereinigung mittels bestimmter rechtlicher Gestaltungen die Schutzwirkung eines Doppelbesteuerungsabkommens (DBA) verschafft, d. h. sich in den Schutzbereich eines DBA einkauft. Auf diese Weise gelingt es, die abkommensrechtlichen Steuervergünstigungen, insbesondere die Reduktion von Quellensteuern, zu erreichen.

Die Inanspruchnahme von Quellensteuerermäßigungen liegt vor allem im Interesse der nicht Abkommensberechtigten. Unter die Abkommensberechtigung fallen natürliche und juristische Personen, die in einem der beiden Vertragsstaaten selbst steuerpflichtig sind. Die in Drittstaaten persönlich Steuerpflichtigen oder die nicht steuerrechtsfähigen Gesellschaften und Personenvereinigungen sind somit vom Schutzbereich des DBA ausgeschlossen. Um diesen Steuernachteil zu vermeiden, werden abkommensberechtigte Personen, insbesondere Kapitalgesellschaften, als Durchlauf- oder Zwischengesellschaften errichtet, so dass die ausländischen Einkünfte nicht direkt an die nicht Abkommensberechtigten fließen, sondern über die zwischengeschaltete Gesellschaft umgeleitet werden. Die Dividenden, die an die zwischengeschaltete Gesellschaft ausgeschüttet werden, gelangen sodann durch Weiterausschüttung an die nicht Abkommensberechtigten zurück

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Der Gesetzgeber will dem Treaty-Shopping durch Missbrauchsvermeidungsvorschriften entgegentreten. Die Regelungen zum Anti-Treaty-Shopping können entweder im nationalen Steuerrecht oder im jeweiligen DBA selbst enthalten sein. Beispielhaft für Anti-Missbrauchsregelungen in DBA seien Art. 23 DBA Schweiz und Art. 28 DBA-USA i. d. F. des Revisionsprotokolls 2008 (gültig ab 2008) genannt.

Die wichtigsten Anti-Treaty-Shopping-Regelungen im nationalen Recht sind § 50d Abs. 3 EStG sowie § 42 AO

Zur Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG i. d. F. des Betreibungsrichtlinienumsetzungsgesetzes gilt das BMF-Schreiben v. 24.1.2012, IV B 3 - S 2411/07/10016, BStBl 2012 I S. 171.

1 Internationale Steuerplanung mit Treaty Shopping

Beim Treaty Shopping geht es vor allem um die Inanspruchnahme von abkommensrechtlichen Quellensteuermäßigungen für Schachteldividenden und Dividenden aus Streubesitz, für Zinsen und Lizenzgebühren. Zu beachten ist, dass die Quellensteuerbelastung in vielen Fällen eine Definitivbelastung darstellt. Wenn das DBA z. B. ein internationales Schachtelprivileg enthält und die Vermeidung der Doppelbesteuerung im Ansässigkeitsstaat mittels Steuerfreistellung erfolgt, unterbleibt die Anrechnung der Quellensteuer, die im Falle der Gewinnausschüttung entsteht. Bei Dividenden aus Streubesitz, bei Zinsen und Lizenzgebühren kann es zur Definitivbelastung kommen, wenn das Steuerniveau im Ansässigkeitsstaat des Zahlungsempfängers vergleichsweise niedrig ist, und die Quellensteuer demzufolge nicht in vollem Umfang angerechnet werden kann, so dass ein Anrechnungsüberhang entsteht.

Nachdem im Geltungsbereich der EU die Mutter-Tochter-Richtlinie[1] in Kraft getreten ist, konzentriert sich der Anwendungsbereich des Treaty Shopping nicht mehr auf das Verhältnis der Mitgliedstaaten untereinander sondern auf das Verhältnis der EU-Mitgliedstaaten zu Drittstaaten.

So verfolgt eine in einem EU-Staat ansässige Muttergesellschaft mit einer in einem Drittstaat ansässigen Tochtergesellschaft das Ziel, auf der Basis des EU-weiten Abkommensnetzes den quellensteueroptimalen Standort für eine Zwischengesellschaft (Holding) zu finden, so dass die Gewinne möglichst gering mit Steuern belastet zurückgeführt werden können. Umgekehrt verfolgt eine in einem Drittstaat ansässige Muttergesellschaft mit einer in einem EU-Staat ansässigen Tochtergesellschaft, deren Gewinnausschüttungen der Quellensteuer unterliegen, ebenfalls das Ziel, den quellensteueroptimalen Standort für eine Zwischengesellschaft (Holding) zu finden.

Zu den Einflussfaktoren für die Wahl des Standorts gehören die Steuerbelastung von erhaltenen und ausgeschütteten Dividenden einer dort ansässigen Kapitalgesellschaft, ferner die Steuerbelastung von Dividenden, Zinsen und Lizenzgebühren an Personen in Nicht-DBA-Staaten und die Steuerbelastung von Veräußerungsgewinnen.

[1] Richtlinie EWG v. 23.7.1999, Nr. 90/435

2 Typische Erscheinungsformen des Treaty Shopping

2.1 Direkte Umleitung von Einkünften (direct conduit)

Der Begriff des direct conduit beschreibt den Grundfall des Treaty Shopping mit der Beteiligung von 3 Personen in 3 Staaten. Zwischen 2 dieser Personen, der Spitzeneinheit in Staat 1 und der Grundeinheit in Staat 2, bestehen rechtliche, wirtschaftliche oder sonstige Beziehungen (z. B. ein Beteiligungsverhältnis wie bei Mutter- und Tochtergesellschaften). Zwischen den beiden Ansässigkeitsstaaten gibt es entweder kein DBA oder ein DBA, das keine günstige Quellensteuerermäßigung für Dividenden, Zinsen oder Lizenzgebühren enthält. Beide Ansässigkeitsstaaten haben jedoch jeweils ein günstiges DBA mit dem dritten Staat abgeschlossen. Um in den Schutzbereich dieser günstigen DBA zu kommen, wird nun eine dritt...

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