Leitsatz

Beteiligt sich ein Unternehmer wissentlich an einem "strukturierten Verkaufsablauf", der darauf abzielt, die nach der 6. EG-RL geschuldete Besteuerung des innergemeinschaftlichen Erwerbs im Bestimmungsmitgliedstaat durch Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung zu verdecken, ist die Lieferung nicht nach § 6a UStG steuerfrei (Anschluss an EuGH-Urteil vom 7.12.2010, C-285/09, "R", BFH/NV 2011, 396).

 

Normenkette

§ 6a, § 25a UStG 1999/2005, Art. 28c der 6. EG-RL

 

Sachverhalt

Die Klägerin hatte Pkws ohne Anwendung der Differenzbesteuerung erworben, an einen spanischen Abnehmer, V, steuerfrei verkauft, der sie – vermittelt durch S – nach Frankreich mit Rechnungen über differenzbesteuerte Pkws an Abnehmer verkauft hatte, an die wiederum die Klägerin die Fahrzeuge zuvor für sechs Monate ohne Entgelt vermietet hatte. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin wissentlich an einem Geschäftsmodell beteiligt war, bei dem V nur aufgrund einer im Voraus für die Geschäftsbeziehungen vereinbarten Gewinnverteilungsabrede mit einem im Voraus bestimmten Betrag beteiligt war. Das FG hatte allein auf die zivilrechtlichen Vereinbarungen zwischen Kläger und V abgestellt (Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.4.2010, 16 K 10297/07, Haufe-Index 2353349, EFG 2010, 1930).

 

Entscheidung

Die Entscheidung betrifft eine nicht auf wirtschaftliche Erwägungen beruhende Lieferkette (Klägerin an V und V an "Endabnehmer"). Ein nach der 6. EG-RL nicht bestehender "Steuervorteil" wurde dadurch in Anspruch genommen, dass die in Frankreich und den Niederlanden bestehende Verpflichtung zur Erwerbsbesteuerung durch das Vortäuschen einer differenzbesteuerten Lieferung verdeckt wurde.

 

Hinweis

1. Erbringt der Unternehmer den Beleg- und Buchnachweis für eine innergemeinschaftliche Lieferung nicht vollständig, erweisen sich Nachweisangaben als unzutreffend oder bestehen berechtigte und nicht durch den Unternehmer ausgeräumte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Angaben, kann die Steuerfreiheit nicht beansprucht werden, wenn diese Mängel den "sicheren Nachweis" der materiellen Anforderungen für die Steuerfreiheit verhindern.

2. Steuerpflichtig ist die Lieferung auch, wenn zwar objektiv die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit vorliegen, wenn der Steuerpflichtige aber unter Verstoß gegen die auf dem ersten Satzteil des Art. 28c Teil A der 6. EG-RL beruhenden Pflichten zum Beleg- und Buchnachweis die Identität des Erwerbers verschleiert, um diesem im Bestimmungsmitgliedstaat eine Mehrwertsteuerhinterziehung zu ermöglichen. Der EuGH hatte im Verfahren "R" den Zusammenhang von Erwerbsbesteuerung und Steuerfreiheit betont. Dem folgt der BFH.

3. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist im Wesentlichen Tatfrage.

 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 11.8.2011 – V R 19/10

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