Zusammenfassung

 
Überblick

Die Sinnhaftigkeit einer betriebsseitigen Arbeitszeiterfassung – insbesondere der "klassischen" elektronischen (Anwesenheits-)Zeiterfassung durch Kommen-/Gehen-Buchungen – wird seit inzwischen ca. 20 Jahren aus einer ganzen Reihe von Gründen in der betrieblichen Praxis diskutiert.

Zweifel an einem Festhalten an der exakten Arbeitszeiterfassung als Kriterium für die Erbringung der arbeitsvertraglichen Leistung entstehen vor allem durch zunehmende technische Möglichkeiten, von zu Hause oder unterwegs zu arbeiten.

 
Gesetze, Vorschriften und Rechtsprechung

Gesetzliche Regelungen zur Höchstarbeitszeit, zum Ausgleich bei Überschreitungen des Arbeitszeitvolumens und zu Aufzeichnungspflichten des Arbeitgebers ergeben sich aus dem Arbeitszeitgesetz. Beteiligungsrechte des Betriebsrats folgen aus § 80 BetrVG.

1 Spannungsfeld zwischen Arbeitszeiterfassung und Flexibilität

Anwesenheitszeit ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit Arbeitszeit.

Anwesenheitszeit vs. Arbeitszeit

Traditionelle Zeiterfassungssysteme messen nur die Zeit der Anwesenheit des Arbeitnehmers im Betrieb – nicht aber dessen (tatsächliche) Arbeitszeit. Dies ist gerade für Arbeitnehmer in Bereichen mit wissensintensiven Dienstleistungen bedeutsam, die über einen hohen Grad an Eigenverantwortung bei der Aufgabenerfüllung und der Arbeitszeitgestaltung verfügen. Für diese (aber auch andere) Arbeitnehmer kommt es regelmäßig zu Durchmischungen von Arbeits- und Privatzeiten am Arbeitsplatz, im Zuge mobiler Arbeit auch außerhalb des Arbeitsplatzes. Die Erfassung von Anwesenheitszeiten reflektiert demgegenüber auf tendenziell standardisierte Arbeitsprozesse, die im Zuge der Digitalisierung zunehmend "arbeitszeitfrei" ablaufen. Für die verbleibenden (weniger standardisierten) Arbeitsprozesse suggeriert die elektronische Zeiterfassung eine Genauigkeit der Messbarkeit von Arbeitszeit, die tatsächlich nicht gegeben ist.

Individualisiertes Arbeitszeitverhalten vs. Standardpausenvorgaben

Elektronische (Anwesenheits-)zeiterfassung geht häufig mit standardisierten Pausenabzügen einher. Ein solcher Standardpausenabzug kollidiert bei "Kopfarbeitern" häufig mit dem tatsächlichen Pausenverhalten. Hinzu kommt, dass im Interesse der Steigerung der Arbeitsproduktivität individuelle Arbeits- und Pausenrhythmen gefördert werden sollten.

Exakte Zeiterfassung vs. "Unschärfe" der vereinbarten Arbeitszeit

Eine minutengenaue Zeiterfassung unterstellt eine exakte Begrenzung der individuellen Arbeitszeitverpflichtungen. Für Arbeitnehmer mit pauschalierter Mehrarbeitsabgeltung stellt sich die Frage, wieso Arbeitszeiten erfasst werden sollen, wenn der genaue Umfang der geleisteten Arbeitszeit vergütungsrechtlich irrelevant ist.

Stationäre Zeiterfassung vs. ortsflexibles Arbeiten

Die Entkoppelung von Arbeitszeit und betrieblichem Arbeitsplatz im Zuge mobiler Arbeit unter Einsatz mobiler digitaler Arbeitsmittel wirft grundsätzlich die Frage nach dem Sinn klassischer Arbeitszeiterfassung als Erfassung der Zeit der Anwesenheit am betrieblichen Arbeitsplatz oder in der Betriebsstätte auf.

Der nachfolgende Beitrag stellt die Kernelemente der Vertrauensarbeitszeit als betriebliches Arbeitszeitmodell dar und zeigt die wichtigsten systematischen und rechtlichen Aspekte auf, die bei der Einführung von Vertrauensarbeitszeit zu beachten sind.

2 Begriff der Vertrauensarbeitszeit

Als Vertrauensarbeitszeit werden Arbeitszeitmodelle bezeichnet, in denen der Arbeitgeber grundsätzlich auf eine Kontrolle der Einhaltung der arbeitsvertraglichen Arbeitszeit-Verpflichtungen verzichtet.

Vertrauensarbeitszeit bedeutet dabei nicht, dass es überhaupt keine Erfassung von Arbeitszeiten gibt: So kann die Erfüllung der arbeitszeitgesetzlichen Aufzeichnungspflichten[1] oder die betriebswirtschaftliche Notwendigkeit der Zuordnung von Arbeitszeiten zu bestimmten Aufgabenbereichen (Projekte, Kostenstellen, Kunden) eine Erfassung von Arbeitszeiten erforderlich machen. Entscheidend für die Vertrauensarbeitszeit ist dabei, dass derartige Erfassungen nicht der Kontrolle der Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit dienen.

Anders als vielfach kolportiert, bedeutet Vertrauensarbeitszeit also keinen "Abschied von der Arbeitszeit" im Sinne einer Ersetzung der Arbeitszeit-Verpflichtungen durch Ziele oder Ergebnisse. Soweit ein bestimmter Umfang der Arbeitszeit vereinbart wurde, wird dieser nicht gegenstandslos. Bei Arbeitnehmern, die dem Arbeitszeitgesetz unterliegen, ergibt sich insoweit spätestens an der Grenze der täglich einzuhaltenden Höchstarbeitszeit sowie des gesetzlich zulässigen Höchstarbeitszeitvolumens[2] ohnehin eine Grenze der vertraglich vereinbarten Arbeitszeitverpflichtungen. Diese Beschränkungen gelten auch für Arbeitnehmer in Vertrauensarbeitszeit.

Die Idee der Vertrauensarbeitszeit liegt vielmehr darin, die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitszeit so auf Arbeitsaufgaben, Ziele und Ergebnisse "herunterzubrechen", dass eine bloße Kontrolle der geleisteten Arbeitszeit weitgehend entbehrlich wird, weil die Übernahme der vereinbarten Arbeitsaufgaben die Einhaltung der vereinbarten Arbeitszeit indiziert....

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