Leitsatz

1. Die persönlichen oder finanziellen Beweggründe für die Veräußerung von Immobilien sind für die Zuordnung zum gewerblichen Grundstückshandel oder zur Vermögensverwaltung unerheblich. Dies gilt auch für wirtschaftliche Zwänge wie z.B. die Ankündigung von Zwangsmaßnahmen durch einen Grundpfandgläubiger.

2. Die Drei-Objekt-Grenze hat die Bedeutung eines Anscheinsbeweises, der – ohne dass es dafür weiterer Indizien bedarf – den Schluss auf die innere Tatsache des Erwerbs des jeweiligen Grundstücks in bedingter Veräußerungsabsicht zulässt. Ihre Geltungskraft kann im Einzelfall durch den Nachweis eines atypischen Sachverhaltsverlaufs erschüttert werden. Dafür kommen indes grundsätzlich weder die Gründe der Veräußerung noch Absichtserklärungen in Betracht, sondern vornehmlich Gestaltungen des Steuerpflichtigen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine Veräußerung innerhalb eines Zeitrahmens von etwa fünf Jahren erschweren oder unwirtschaftlicher machen.

 

Normenkette

§ 2 Abs. 1 GewStG, § 15 Abs. 2 EStG

 

Sachverhalt

Der Kläger war in den Streitjahren 1996 bis 1998 Allein- und Miteigentümer zahlreicher Grundstücke. Aufgrund von Steuerschulden in Millionenhöhe hatte das FA 1997 im Arrestwege mehrere Grundstücke des Klägers mit Sicherungshypotheken belastet. Am 30.1.1998 beschied das FA den Kläger, dass es in einer Woche die Verwertung einleiten werde. Zu einer Zwangsversteigerung der Objekte kam es aber nicht, weil der Kläger seine Grundstücke mit Zustimmung des FA freihändig und mit Gewinn verkaufte. In der Folge setzte das FA deswegen Gewerbesteuermessbeträge fest.

Das FG Münster (Urteil vom 11.3.2011, 14 K 991/05 G, Haufe-Index 2685303, EFG 2011, 1254) gab der Klage statt, da es die unter Androhung der Verwertung veräußerten Grundstücke hinsichtlich der Drei-Objekt-Grenze nicht mitzählte.

 

Entscheidung

Der BFH beurteilte den Kläger dagegen als Grundstückshändler, hob das FG-Urteil auf und verwies zurück, weil es weiterer Feststellungen zur Höhe der Gewerbesteuermessbeträge bedurfte.

 

Hinweis

1. Das Besprechungsurteil betrifft ebenso wie das BFH-Urteil vom 17.12.2009, III R 101/06 (BFH/PR 2010, 219) die Frage, inwieweit ein Grundstückshandel durch erzwungene Veräußerungen begründet werden kann; die Leitsätze beider Entscheidungen sind weitgehend identisch.

2. Wer innerhalb von etwa fünf Jahren mehr als drei Objekte anschafft, erschließt oder herstellt und sodann verkauft, erfüllt damit bekanntlich die objektiven Voraussetzungen des gewerblichen Grundstückshandels.

3. Der Erwerb der Grundstücke (bzw. die Erschließung oder die Gebäudeherstellung) muss allerdings in zumindest "bedingter Veräußerungsabsicht" erfolgt sein. Ob diese stets durch die zeitlich zusammenhängenden Umsätze indiziert wird oder durch besondere Umstände widerlegt werden kann, ist immer noch umstritten.

4. Das vorliegende Urteil erlaubt zwar die Widerlegung der Vermutung des Erwerbs in bedingter Veräußerungsabsicht, aber stellt dafür Anforderungen, die kaum erfüllt werden können: Es bedarf dafür objektiver Tatsachen in zeitlicher Nähe zum Erwerb, die eine spätere Veräußerung wesentlich erschweren oder unwirtschaftlicher machen. Persönliche Absichten ("Erwerb zur Altersvorsorge") sind demgegenüber unerheblich, auch wenn sie dokumentiert werden können.

5. Die konkreten Gründe des Verkaufs sind hinsichtlich der bedingten Veräußerungsabsicht im Zeitpunkt des Erwerbs (!) ebenfalls unbeachtlich, da sie nicht besagen, dass der Steuerpflichtige nicht auch aus anderen Gründen verkauft hätte. Eine Veräußerung aufgrund wirtschaftlicher Zwänge hindert daher den Grundstückshandel nicht, gleich ob der Druck von der finanzierenden Bank ausgeht wie im Urteil vom 17.12.2009, III R 101/06 (BFH/PR 2010, 219) oder – wie hier – vom FA.

6. Was, mag sich der Leser fragen, rechtfertigt die Veröffentlichung des Urteils, wenn es sich nicht vom BFH-Urteil vom 17.12.2009 unterscheidet? Im Urteil vom 17.12.2009 war zum einen die Zwangssituation weniger ausgeprägt; so konnte der Steuerpflichtige frei entscheiden, welche Wohnung er wann verkaufte. Außerdem hatte der BFH dort hinsichtlich der bedingten Veräußerungsabsicht auf die "enge" Finanzierung und die bereits sieben Monate nach Fertigstellung vorgenommene Aufteilung in Wohnungseigentum hingewiesen. Das konnte missverstanden werden: Zum einen kommt es nicht darauf an, wie intensiv die wirtschaftliche Zwangslage des Grundstücksverkäufers war, und zum ­anderen bedarf es keiner die bedingte Veräußerungsabsicht bestätigenden Tatsachen – die Veräußerungsabsicht wird vielmehr unterstellt, wenn sie nicht durch objektive Tatsachen widerlegt werden kann.

7. Zu beachten ist, dass die "Verobjektivierung" des Grundstückshandels Steuerpflichtigen nützen kann, deren Immobilieninvestition sich als Fehlschlag erwiesen hat. Denn dann können durch Überschreitung der Drei-Objekt-Grenze gewerbliche Verluste generiert werden, falls die Gewinnerzielungsabsicht nicht ausnahmsweise widerlegt wird (z.B. BFH,Urteil vom 18.8.2009, X R 25/06, BFH/NV 2009, 1892, B...

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