Leitsatz

1. Bei Mitunternehmerschaften ist der auf den einzelnen Mitunternehmer entfallende Anteil am GewSt-Messbetrag nach § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 für sämtliche Mitunternehmer gesondert und einheitlich festzustellen.

2. Das für die gesonderte und einheitliche Feststellung nach § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 zuständige FA hat lediglich zu prüfen, ob eine Mitunternehmerstellung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG) des Feststellungsbeteiligten vorliegt. Ob und inwieweit für den Beteiligten die Möglichkeit einer Anrechnung besteht, ist für die Feststellung ohne Bedeutung.

3. Auch die Bindungswirkung eines Feststellungsbescheids nach § 35 Abs. 3 Satz 1 EStG 2002 erstreckt sich nur auf die einzelnen Mitunternehmer.

 

Normenkette

§ 35 Abs. 3 Satz 1, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG 2002, § 179 Abs. 2 Satz 1, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, § 48 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 FGO

 

Sachverhalt

An der klagenden KG (KG 1) war im Streitjahr 2003 neben natürlichen Personen als Kommanditisten auch eine GmbH als atypisch stille Gesellschafterin mit einem Anteil von 35 % beteiligt. Die GmbH war Organgesellschaft einer übergeordneten KG (KG 2), die ca. 94 % der GmbH-Anteile hielt. Die KG 1 war ihrerseits wieder an mehreren Personengesellschaften beteiligt.

Bei der Feststellung des Anteils der Mitunternehmer am GewSt-Messbetrag der KG 1 – dieser bestand nur aus den Anteilen der GewSt-Messbeträge an den Tochtergesellschaften der KG 1 – lehnte das FA es ab, auch den auf die GmbH entfallenden Anteil gesondert festzustellen, weil die GmbH nicht zur Anrechnung berechtigt sei. Die KG 1 war anderer Meinung, weil die GmbH als Organgesellschaft die Anrechnungsbefugnis auf ihre Muttergesellschaft KG 2 "weiterleite" und so deren Mitunternehmern Anrechnungsvolumen vermittele.

Das FG gab der Klage überwiegend statt (FG Düsseldorf, Urteil vom 22.1.2009, 16 K 1267/07 F, Haufe-Index 2153870, EFG 2009, 756) und verpflichtete das FA zur Feststellung eines anteiligen GewSt-Messbetrags der GmbH, soweit dieser quotal auf die KG 2 entfiel.

 

Entscheidung

Der BFH teilte die Auffassung des FG, dass auch für die GmbH ein anteiliger GewSt-Messbetrag festzustellen sei, allerdings nicht quotal auf die Beteiligung der KG 2 begrenzt. Ob und inwieweit ein Mitunternehmer zur Anrechnung berechtigt sei, bleibe bei der gesonderten Feststellung der Anteile am GewSt-Messbetrag unberücksichtigt. Darüber sei erst bei der Veranlagung der Mitunternehmer zu entscheiden.

 

Hinweis

1. Das Urteil betrifft denselben Fall wie das zugleich ergangene Urteil IV R 3/10. Dort ging es um eine Klage der Organträgerin der an der hiesigen Klägerin atypisch still beteiligten GmbH.

2. Im hier besprochenen Urteil war über die Frage zu entscheiden, ob bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung des anteiligen GewSt-Messbetrags für Zwecke der Anrechnung nach § 35 EStG durch die Mitunternehmer berücksichtigt werden muss, ob oder inwieweit der Mitunternehmer überhaupt zur Anrechnung berechtigt ist. Der BFH stellt klar, dass die gesonderte Feststellung ganz formal abläuft, indem der GewSt-Messbetrag der Mitunternehmerschaft auf die Mitunternehmer nach Maßgabe der Anteile am allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel aufzuteilen ist. Das für die Feststellung zuständige FA hat sich nicht mit den subjektiven Anrechnungsmöglichkeiten der einzelnen Mitunternehmer zu beschäftigen. Inwieweit der GewSt-Messbetrag objektiv zur Anrechnung taugt, muss allerdings auf dieser Ebene entschieden werden (vgl. BFH, Urteil vom 15.4.2010, IV R 5/08, BFH/NV 2010, 1926, BFH/PR 2010, 476, zur fehlenden Anrechenbarkeit bei GewSt-Messbeträgen aufgrund § 18 Abs. 4 UmwStG).

3. Das Urteil enthält zahlreiche Ausführungen zum Verfahrensrecht, von denen hier nur auf zwei Aspekte hingewiesen werden soll.

a) Erörtert wird u.a. die Zusammenfassung von Feststellungen für eine Personengesellschaft und daran atypisch still beteiligter Gesellschafter. Die atypisch stille Gesellschaft ist eine eigen­ständige Mitunternehmerschaft, für die eine eigenständige gesonderte und einheitliche Feststellung durchzuführen ist. Die Feststellungen für beide Gesellschaften dürfen aber in einem Sammelbescheid zusammengefasst werden, wenn damit das Steuergeheimnis nicht verletzt wird.
b) Zusammenfassend stellt das Urteil außerdem die Klagebefugnis bei atypisch stillen Gesellschaften dar. Klagebefugt ist nicht die Gesellschaft, sondern der Empfangsbevollmächtigte nach § 48 Abs. 2 FGO. Dies kann und wird häufig der Inhaber des Handelsgewerbes sein.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 22.9.2011 – IV R 8/09

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