Leitsatz

1. Ob eine "künftige" Anschaffung i.S.d. § 7g EStG gegeben ist, ist aus der Sicht am Ende des Gewinnermittlungszeitraums zu beurteilen, für den der Investitionsabzugsbetrag geltend gemacht wird.

2. Das Wahlrecht gem. § 7g EStG kann noch nach Einlegung des Einspruchs ausgeübt werden.

3. Schafft der Steuerpflichtige ein Wirtschaftsgut an, bevor er dafür mit seiner Steuererklärung oder mit einem nachfolgenden Einspruch einen Investitionsabzugsbetrag geltend macht, ist es nicht erforderlich, dass er im Zeitpunkt der Anschaffung die Absicht hatte, den Investitionsabzugsbetrag in Anspruch zu nehmen.

 

Normenkette

EStG § 7g

 

Sachverhalt

Der Kläger erzielte Einkünfte aus selbstständiger Arbeit, die er nach § 4 Abs. 3 EStG durch Einnahmen­überschussrechnung ermittelte. Seine Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (2007) gab er am 11.12.2008 ab. Das FA veranlagte ihn erklärungsgemäß. Mit seinem gegen den Steuerbescheid gerichteten Einspruch vom 23.2.2009 begehrte er einen Investitionsabzugsbetrag für einen am 10.12.2008 angeschafften Pkw.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG (FG Berlin-Brandenburg vom 16.9.2010, 12 K 12197/09, Haufe-Index 2425187, EFG 2010, 2076) versagte den Abzugsbetrag, weil der Kläger die Investition vor Einreichung der Steuererklärung bereits getätigt habe, ohne sie in der Erklärung geltend zu machen. Der erforderliche Finanzierungszusammenhang zwischen dem Investitionsabzugsbetrag und der Investition setze voraus, dass die Absicht der Inanspruchnahme des Abzugsbetrags spätestens im Zeitpunkt der Anschaffung des Wirtschaftsguts vorliege.

 

Entscheidung

Der BFH hob die Vorentscheidung auf und gab der Klage statt. Zu Unrecht habe das FG den Finanzierungszusammenhang zwischen dem Investitionsabzugsbetrag und der Anschaffung des Pkws verneint. Wegen der Einzelheiten wird auf die Praxis-Hinweise verwiesen.

 

Hinweis

1. Die Inanspruchnahme eines Investitionsabzugsbetrags nach § 7g EStG gehört zu den zeitlich unbefristeten Wahlrechten, die formell bis zum Eintritt der Bestandskraft ausgeübt werden können.

2. Ein Investitionsabzugsbetrag wird gewährt für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens. Maßgeblich ist dabei die Sicht am Ende des Wirtschaftsjahres, für das der Steuerpflichtige den Abzugsbetrag geltend macht. Die aus dieser Sicht "künftige" Anschaffung kann bei Abgabe der Steuererklärung für das Abzugsjahr bereits erfolgt sein. Es ist für die Gewährung des Abzugsbetrags grundsätzlich nicht von Bedeutung, ob die Investition im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung tatsächlich schon vorgenommen war.

3. Der VIII. Senat des BFH hat hier erstmals erkennen lassen, dass er die von der Rechtsprechung zu § 7g EStG a.F. aus dem Gesetzeszweck hergeleitete Voraussetzung des Finanzierungszusammenhangs bei Anwendung der Vorschrift in der Fassung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 für entbehrlich hält (a.A. BMF, Schreiben vom 8.5.2009, BStBl I 2009, 633, 635, Rz. 19).

Denn in der Neufassung des Gesetzes ist nach § 7g Abs. 3 EStG bei unterbliebener Investition der ursprüngliche Betriebsausgabenabzug im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr rückgängig zu machen. Damit ist regelmäßig der Anreiz entfallen, den Investitionsabzugsbetrag auch dann in Anspruch zu nehmen, wenn tatsächlich keine Investitionsabsicht besteht.

4. Die Frage, ob auch nach § 7g EStG n.F. ein "Finanzierungszusammenhang" geboten ist, konnte der VIII. Senat hier offen lassen, weil dieses Merkmal jedenfalls erfüllt war:

a) Es ist nicht erforderlich, dass im Zeitpunkt der Investition bereits die Absicht zur Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrags besteht.
b) Der Finanzierungszusammenhang ist auch dann nicht zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige den Investitionsabzugsbetrag erst im Einspruchsverfahren beantragt.
c)

Der Finanzierungszusammenhang besteht nicht, wenn

aa) im Zeitpunkt der Geltendmachung des Abzugs eine Investition nicht mehr durchführbar ist, weil der Betrieb bereits aufgegeben oder veräußert worden war oder ein entsprechender Entschluss gefasst war,
bb) wenn der Abzugsbetrag erst nach Ablauf des (nunmehr dreijährigen) Investitionszeitraums geltend gemacht wird, ohne dass tatsächliche Investitionen durchgeführt wurden, oder wenn der Abzug so kurze Zeit vor Ablauf des Investitionszeitraums geltend gemacht wird, dass der Steuerpflichtige nicht damit rechnen kann, die Investition noch rechtzeitig durchzuführen.
d) Der Finanzierungszusammenhang zwischen Abzugsbetrag und Investition ist jedenfalls zu bejahen, wenn die begünstigte Investition tatsächlich durchgeführt ist.
 

Link zur Entscheidung

BFH, Urteil vom 17.1.2012, VIII R 48/10

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