Leitsatz

Die vom Erben als Gesamtrechtsnachfolger aufgrund Erbanfalls nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer ist eine Nachlassverbindlichkeit, die vom FA als Nachlassinsolvenzforderung im Nachlassinsolvenzverfahren geltend gemacht werden kann.

 

Normenkette

§ 251 Abs. 3 AO, § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 8, § 20 Abs. 3 ErbStG, § 1967, § 2378 Abs. 1, § 2379 Satz 3 BGB, § 38, § 325 InsO

 

Sachverhalt

Erblasser E wurde von Tochter T und Lebensgefährtin L (Weißrussland) im Mai 2009 beerbt. Im Mai 2010 wurde das Nachlassinsolvenzverfahren eröffnet. Das FA (der Beklagte und Revisionskläger), welches hiervon keine Kenntnis hatte, stellte zunächst den Grundbesitzwert für ein Grundstück des Erblassers mit Bescheid fest und forderte dann – allerdings vergeblich – die Erbinnen zur Abgabe einer Erbschaftsteuererklärung auf. Im August 2010 erließ das FA gegenüber der L im Wege der Schätzung einen Erbschaftsteuerbescheid mit einer Festsetzung von knapp 50 TEUR; dieser Bescheid wurde nach öffentlicher Zustellung bestandskräftig. Wenig später ließ die T durch eine Rechtsanwaltskanzlei mitteilen, dass die L ihren Anteil auf sie – T – übertragen habe und der Nachlass im Übrigen überschuldet sei. Der vom FA vorgenommenen Anmeldung der Steuerforderung zur Insolvenztabelle widersprach der Insolvenzverwalter (Kläger) im Prüfungstermin. Mit Datum 5.4.2012 erließ das FA seinerseits einen auf § 251 Abs. 3 AO gestützten Feststellungsbescheid über die Erbschaftsteuerforderung. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren hat das Finanzgericht (FG Münster, Urteil vom 30.4.2014, 3 K 1915/12 Erb, Haufe-Index 7016729, EFG 2014, 1363) der Klage des Insolvenzverwalters stattgegeben: Die Erbschaftsteuer sei keine feststellungsfähige Nachlassverbindlichkeit, sondern eine "Eigenschuld" des Erben. Dem ist der BFH entgegengetreten und hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben: Die Erbschaftsteuer ist eine feststellungsfähige Nachlassverbindlichkeit.

 

Entscheidung

Die tatbestandlichen Voraussetzungen für den Erlass eines Feststellungsbescheides nach § 251 Abs. 3 AO liegen dem Grunde nach vor.

1. Erbschaftsteuersteuerschuld als Insolvenzforderung

Die vor der Eröffnung des Verfahrens begründete Erbschaftsteuerforderung des FA ist Insolvenzforderung (vgl. § 38 InsO). Der Kläger als Insolvenzverwalter hat der Anmeldung der Forderung im Prüfungstermin widersprochen (§§ 179 Abs. 1, 185 InsO).

2. Erfordernis einer Nachlassverbindlichkeit

Im Nachlassinsolvenzverfahren können gemäß § 325 InsO Forderungen nur in Gestalt von Nachlassverbindlichkeiten geltend gemacht werden. Gemäß § 1967 Abs. 2 BGB gehören zu den Nachlassverbindlichkeiten außer den Erblasserschulden die den "Erben als solchen treffenden" Verbindlichkeiten, insbesondere Pflichtteilsrechte, Vermächtnisse und Auflage. Im Gegensatz hierzu stehen die Eigenschulden des Erben, die keinen oder nur einen geringen Bezug zum Nachlass aufweisen.

3. Erbschaftsteuersteuerschuld als Nachlass­verbindlichkeit

Kernpunkt der Besprechungsentscheidung ist die Erkenntnis des BFH, dass es sich bei der nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 1922 BGB geschuldete Erbschaftsteuer um eine Nachlassverbindlichkeit handelt. Als Kriterien gibt der Senat an, die Steuer entstehe allein aus Anlass des Erbfalles und ohne Zutun des Erben; der Senat kann sich auf breite Zustimmung in Rechtsprechung und Literatur berufen. Entgegenstehenden Argumentationen begegnet das Gericht folgendermaßen:

Gemäß § 20 Abs. 3 ErbStG haftet der Nachlass nur bis zur Auseinandersetzung für die Steuer der am Erbfall Beteiligten. Dies bedeutet nach Meinung des Senates jedoch nicht, dass danach die Erbschaftsteuer nicht mehr als Nachlassverbindlichkeit behandelt werden muss: Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens kann der Verwalter die Auseinandersetzung faktisch rückgängig machen (vgl. § 1976 BGB, § 316 Abs. 2 InsO). Zudem handelt es sich bei der Regelung in § 20 Abs. 3 ErbStG lediglich um eine "Sicherungsmaßnahme" zugunsten der FinVerw und nicht um eine dogmatische Ordnungsvorschrift.

Gemäß § 10 Abs. 8 ErbStG ist die von dem Erwerber zu entrichtende eigene Erbschaftsteuer nicht abzugsfähig. Die Vorschrift sagt nicht, dass keine Nachlassverbindlichkeit vorliegt, sondern nur, dass ein Abzug ausgeschlossen ist.

  • Keine sachwidrige Ungleichbehandlung

Die wegen Vermächtnisses geltend gemachten Pflichtteilsanspruchs oder sonstiger Erwerbstatbestände entstandene Erbschaftsteuer ist keine Nachlassverbindlichkeit i.S.d. § 325 InsO, § 1967 BGB und muss außerhalb des Insolvenzverfahrens gegen den jeweiligen Erwerber persönlich geltend gemacht werden. Für diese Ungleichbehandlung gibt es jedoch Rechtfertigungsgründe. So beruht die Steuerpflicht aus den bezeichneten Erwerben nicht auf der Gesamtrechtsnachfolge und der Erbe trägt aufgrund der relativ kurzen Ausschlagungsfrist das Risiko des Wertverfalls des Nachlasses.

4. Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung

Das ...

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