1 Einleitung

 

Rz. 1

Gesamtbewertung eines Transferpakets im Fall von Funktionsverlagerungen.

Durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008[1] wurde erstmals der Tatbestand der Funktionsverlagerung sowie deren Besteuerung zunächst in § 1 Abs. 3 Sätze 9 ff. AStG und nunmehr – durch das AbzStEntModG[2]- in § 1 Abs. 3b AStG gesetzlich verankert. Nach diesen Vorschriften soll bei der Verlagerung betrieblicher Funktionen ins Ausland eine Gesamtbetrachtung anhand eines sog. "Transferpakets" erfolgen, wobei der Barwert der damit verbundenen finanziellen Überschüsse ermittelt und der Besteuerung in Deutschland zugrunde gelegt werden soll. Hierdurch wird der Grundsatz der Einzelbewertung aufgegeben. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass mit einem durch das "Transferpaket" verkörperten Konglomerat aus übertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgütern oder sonstigen Vorteilen auch geschäftswertbildende Faktoren übergehen und der Besteuerung zu unterwerfen sind. Gemäß der Begründung des Regierungsentwurfs soll diese Gesamtbewertung notwendig sein, "weil der Preis für die einzelnen übertragenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion regelmäßig nicht angemessen widerspiegelt".[3] Dem Gesetzgeber geht es folglich um die Erfassung eines funktionsbezogenen Geschäfts- oder Firmenwerts. Gemäß § 21 Abs. 16 AStG waren die Regelungen zur Besteuerung von Funktionsverlagerungen erstmals für den Veranlagungszeitraum 2008 anzuwenden.[4] Zwischenzeitlich wurden die Regelungen zu Funktionsverlagerungen mehrfach, allerdings zumeist geringfügig, geändert, zuletzt durch das AbzStEntModG v. 2.6.2021.[5]

 

Rz. 2

FVerlV und VWG-Funktionsverlagerung.

Auf Grundlage der in § 1 Abs. 3 Satz 13 AStG a. F.[6] verankerten Ermächtigung des BMF, die Einzelheiten zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes i. S. d. § 1 Abs. 1, Abs. 3 AStG im Rahmen einer Rechtsverordnung zu konkretisieren, ist die Funktionsverlagerungsverordnung vom 12.8.2008[7] erlassen worden. Mit Datum vom 13.10.2010 hat die Finanzverwaltung die VWG-Funktionsverlagerung veröffentlicht, die die gesetzlichen Regelungen über Funktionsverlagerungen aus Sicht der Finanzverwaltung konkretisieren und ergänzen.[8]

Mit der geänderten FVerlV vom 18.10.2022[9]

sollte die Regelungen der FVerlV an die gesetzliche Konkretisierung der Regelungen zu Funktionsverlagerungen durch das AbzStEntModG[10] in § 1 Abs. 3b AStG angepasst sowie „Unklarheiten und Anwendungsprobleme der bisherigen Fassung“ beseitigt werden.

[11]

 

Rz. 3

Evaluation zu den Erfahrungen mit FVerlV

Der Bundesrat hatte seine Zustimmung zur FVerlV mit der Bitte verbunden, spätestens 5 Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen zu Funktionsverlagerungen über die Erfahrungen und die Auswirkungen auf Unternehmen zu berichten.[12] Der Bericht über die Erkenntnisse aus Betriebsprüfungsfällen ("Evaluation zu den Erfahrungen mit Funktionsverlagerung") zum Stichtag 31.12.2015 wurde durch das BZSt erstellt und mit Datum vom 21.3.2016 vorgelegt.[13] Bereits im Vorwege haben Vertreter der Finanzverwaltung über die verwaltungsseitigen Betriebsprüfungserfahrungen mit den Funktionsverlagerungsgrundsätzen berichtet.[14] Die Betriebsprüfungserkenntnisse beziehen sich auf 119 Betriebsprüfungsfälle mit insgesamt 133 "gemeldeten" Funktionsverlagerungen, aus denen man insbesondere ableiten zu können glaubt, dass die ursprünglich im Rahmen der Abschätzung der Bürokratiekosten der FVerlV abgeschätzte Anzahl von 150-600 "betroffenen Unternehmen" unterschritten würde. Ferner erfolgten in 2/3 der Fälle Einkünftekorrekturen; in ca. 30 % aller Fälle wurden die Besteuerungsgrundlagen geschätzt. Insgesamt beurteilt die Finanzverwaltung die gesetzlichen und verwaltungsseitigen Regelungen zu Funktionsverlagerungen als positiv, insbesondere prüfungserleichternd.

Die Erkenntnisse der Finanzverwaltung beziehen sich auf durchgesetzte Einkünftekorrekturen. Die Betriebsprüfungspraxis zeigt aus Beratersicht, dass das deutsch-steuerliche Instrumentarium zu Funktionsverlagerungen standardmäßig in Betriebsprüfungen in Stellung gebracht wird und dass die hierauf gestützten Betriebsprüfungsaufgriffe deutlich von den Erkenntnissen der Finanzverwaltung abweichen. Dies betrifft sowohl die Fallzahlen als auch die betragsmäßigen Erkenntnisse. Datenerhebungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz belegen, dass branchen- und unternehmensgrößenübergreifend ca. 24 % der befragten Unternehmen in Betriebsprüfungen mit Funktionsverlagerungsthemen konfrontiert wurden.[15] Der Stellenwert ist damit auch im Verhältnis zu Dienstleistungsvergütungen (37 %), Lizenzgebühren (34 %) und Vergütungen für Finanzierungen (31 %) unter den Verrechnungspreisthemen deutlich höher anzusiedeln. Ferner sind in der Beratungspraxis Funktionsverlagerungen ins Inland und Fälle der Lizenzierung von Transferpaketen deutlich präsenter, als dies die Auswertungen der Finanzverwaltung annehmen lassen.

Dies gilt unverändert fort, auch wenn nach jüngsten Erhebungen „lediglich“ ein Viertel der befragten Unternehmen in Betriebsprüfungen mit...

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