Rz. 82

Die Entlastungsberechtigung der zwischengeschalteten Gesellschaft entfällt, soweit die von der ausl. Gesellschaft im betreffenden Wirtschaftsjahr erzielten Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. Insoweit kann aber eine Entlastungsberechtigung auf der Ebene der Gesellschafter dieser Gesellschaft bestehen. Andererseits bedeutet die Regelung, dass eine eigene Entlastungsberechtigung der zwischengeschalteten Gesellschaft besteht, soweit ihre Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. Dieses Merkmal hat durch das G. v. 7.12.2011[1] eine Bedeutungsänderung erfahren. Nach der Rechtslage bis zum 31.12.2011 war es in § 50d Abs. 3 S. 1 Nr. 2 EStG geregelt und bildete eine der drei "Hürden" (Funktionsvoraussetzungen), die zusätzlich zu den in den Rz. 79ff. dargestellten allgemeinen Tatbestandsmerkmalen überwunden werden mussten, sollte die Entlastungsberechtigung bestehen (zu dieser Rechtslage Rz. 155). Ab 1.1.2012 ist das Merkmal der eigenen Wirtschaftstätigkeit zu den allg. Tatbestandsmerkmalen hinzugefügt worden, bildet also keine zusätzliche "Hürde" mehr. Das bedeutet, dass die Entlastungsberechtigung nicht allein deshalb entfällt, soweit die Bruttoerträge nicht aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen. Vielmehr muss hinzukommen, dass eine der beiden in den Nrn. 1 und 2 geregelten Funktionsvoraussetzungen nicht erfüllt ist. Außerdem kann dann die Entlastungsberechtigung auf der Ebene der Gesellschafter bestehen. Andererseits bedeutet die Neuregelung, dass die Entlastungsberechtigung besteht, soweit die Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, auch wenn für die Einschaltung der ausl. Gesellschaft beachtliche Gründe fehlen und die ausl. Gesellschaft nicht mit einem angemessen eingerichteten Geschäftsbetrieb am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt.[2] Allerdings wird in der Praxis dann fraglich sein, ob die ausl. Gesellschaft tatsächlich eine "eigene Wirtschaftstätigkeit" hat, aus der die Bruttoerträge stammen.

 

Rz. 82a

Außerdem wurde die Grenze von 10 % der Bruttoerträge gestrichen. Dies bedeutet eine wesentliche Änderung. Die 10-%-Grenze nach der bis 31.12.2011 geltenden Regelung in Abs. 3 S. 1 Nr. 2 bezog sich auf die gesamten Bruttoerträge der zwischengeschalteten Gesellschaft. Das bedeutete, dass eine Entlastungsberechtigung auch für passive Beteiligungserträge und sonstige passive Erträge bestand, wenn die zwischengeschaltete Gesellschaft nur insgesamt mehr als 10 % ihrer Bruttoerträge aus aktiver Tätigkeit erzielte. Es genügten also aktive Bruttoerträge, die nicht in Zusammenhang mit den passiven Erträgen standen, für die die Entlastungsberechtigung in Anspruch genommen wurde. Nach der ab 1.1.2012 geltenden Neuregelung besteht die Entlastungsberechtigung nur, "soweit" die Bruttoerträge aus eigener aktiver Wirtschaftstätigkeit stammen. Eine aktive, auch weit überwiegende Tätigkeit außerhalb des Bereichs der entlastungsberechtigten Erträge, für die die Entlastungsberechtigung in Anspruch genommen wird, genügt also nicht mehr.[3] Es muss hinzukommen, dass die Funktionsvoraussetzungen in den Nrn. 1 und 2 erfüllt sind. Das stellt eine wesentliche Verschärfung der Regelung dar, da jetzt die Entlastungsberechtigung für Portfoliodividenden einer Industrie- oder Handelsgesellschaft anteilig entfallen kann, wenn die beiden Funktionsvoraussetzungen der Nrn. 1 und 2 nicht erfüllt sind.

 

Rz. 82b

Die Finanzverwaltung leitet die Regelung, dass eine Entlastungsberechtigung nur besteht, soweit die Bruttoerträge aus eigener Wirtschaftstätigkeit stammen, aus der Rspr. des EuGH ab.[4] Weiter leitet die Finanzverwaltung daraus ab, dass eine Gesellschaft sich nur dann auf die Grundfreiheiten berufen kann, wenn sie am Marktgeschehen in ihrem Ansässigkeitsstaat aktiv, ständig und nachhaltig teilnimmt.[5] Die Bedeutung dieser Ausführungen ist unklar, da die Finanzverwaltung auf diese Grundsätze bei der Diskussion der "eigenen Wirtschaftstätigkeit" nicht zurückkommt. Sollte die Finanzverwaltung daraus ableiten, dass als "eigene Wirtschaftstätigkeit" nur eine Tätigkeit angesehen werden, die die ausl. Gesellschaft in ihrem Ansässigkeitsstaat entfaltet, wäre dies europarechtswidrig. Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV berechtigt die Gesellschaft nämlich, auch außerhalb ihres Ansässigkeitsstaats tätig zu werden. Bedeutung können diese Ausführungen daher nur dann haben, wenn die Ansiedlung der ausl. Gesellschaft in einem bestimmten Staat einen Missbrauch darstellt, also eine rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zwecks Steuervermeidung darstellt. In allen übrigen Fällen, insbesondere dann, wenn die Gesellschaft eine Tätigkeit in ihrem Ansässigkeitsstaat, aber auch in anderen Staaten entfaltet, sind auch die aus anderen Staaten stammenden Erträge solche aus "eigener Wirtschaftstätigkeit".

 

Rz. 83

Für den Begriff "Bruttoerträge" verweist die Finanzverwaltung auf die zu § 9 AStG entwickelten Grundsätze.[6]"Bruttoerträge" sind danach die Solleinn...

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