1 Gesetzliche Regelung

1.1 Rechtsentwicklung

 

Rz. 1

Die heutige Fassung des § 11 EStG, der für die steuerliche Erfassung von Einnahmen und Ausgaben ausschließlich auf den Zufluss bzw. den Abfluss, abstellt, geht bereits auf das EStG 1934 zurück. Nach der Fassung des EStG 1925 war ausschlaggebend, wann Einnahmen fällig geworden oder, ohne fällig zu sein, tatsächlich zugeflossen waren. Die Rspr. stellte allerdings (später) ohne Rücksicht auf den Wortlaut (Fälligkeit, tatsächlicher Zufluss) entscheidend auf das vorgelagerte Moment des "wirtschaftlichen Zufließens" ab, d. h. auf den Zeitpunkt, in dem die Verwirklichung eines Anspruchs in so greifbare Nähe gerückt und so gesichert ist, dass er wirtschaftlich dem tatsächlichen Eingang der Leistung gleichzustellen ist.[1] Dieser Rspr. trug die Neuregelung 1934 dadurch Rechnung, dass sie ausschließlich auf den Zufluss abstellt. Dieser ist bereits dann anzunehmen, wenn der Stpfl. über die Einnahmen verfügen kann.[2] Ein Stpfl., dem eine bereits fällige Vergütung zusteht, wird daher zeitnah entsprechend seiner erhöhten Leistungsfähigkeit herangezogen.[3]

Durch das EStReformG v. 5.8.1974[4] wurde S. 3 des Abs. 1 eingefügt (abweichende zeitliche Zuordnung für laufenden Arbeitslohn; s. Rz. 55ff.). Der bisherige S. 3 wurde S. 4. Durch das StEntlG 1999/2000/2002 v. 24.3.1999[5] wurde in Abs. 1 S. 3 die Angabe des § 40 Abs. 3 S. 2 EStG angefügt (Fiktion des Zuflusses der abgewälzten pauschalen LSt; Rz. 63).

Durch Art. 1 des – zur Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Steuerrecht und zur Änderung weiterer Vorschriften (EURLUmsG) v. 9.12.2004[6] wurden Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 S. 3 als vom Zufluss- und Abflussprinzip abweichende Verteilungsregelungen für vorausbezahlte Entgelte bei längerfristigen Nutzungsüberlassungen neu eingefügt. Nach BFH v. 23.9.2003, IX R 65/02, BStBl II 2005, 159 stellten Erbbauzinsen auch dann, wenn sie in einem Einmalbetrag vorausgezahlt wurden, entgegen BMF v. 10.12.1996, IV B 3 – S 2253 – 99/96, BStBl I 1996, 1440 im Kj. ihrer Leistung sofort abziehbare Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung und keine Anschaffungskosten für das Wirtschaftsgut Erbbaurecht dar. Nach der durch diese Rspr. ausgelösten Neuregelung können Einnahmen und müssen Ausgaben, die für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahren im Voraus geleistet werden, auf den Vorauszahlungszeitraum gleichmäßig verteilt werden. Die Regelung umfasst nicht nur Erbbauzinsen, sondern alle Nutzungsentgelte wie Nießbrauch, Leasing oder Miete. Zum zeitlichen Anwendungsbereich s. Rz. 9a.

Durch das JStG 2007 v. 13.12.2006[7] wurde Abs. 2 S. 4 eingefügt. Die Verteilung vorausgezahlter Entgelte für eine Nutzungsüberlassung von mehr als 5 Jahren findet auf ein Damnum oder Disagio, soweit dieses marktüblich ist, keine Anwendung. Die Neuregelung ist rückwirkend generell auf ein nach dem 21.12.2004 und bei Grundstückskrediten auf ein nach dem 31.12.2003 geleistetes Damnum oder Disagio anzuwenden (§ 52 Abs. 30 EStG i. d. F. von 2007). Der Vorschrift kommt lediglich klarstellende Bedeutung zu. Sie übernimmt die bisherige Verwaltungspraxis (Rz. 53). Nach BMF v. 15.12.2005, IV C 3 – S 2253a – 19/05, BStBl I 2005, 1052 wurde im Hinblick auf die bevorstehende Neuregelung der Abzug im Abflusszeitpunkt nicht beanstandet (Rz. 53).

[1] RFH v. 13.11.1928, VI A 155/28, RStBl 1929, 224.
[4] BStBl I 1974, 530.
[5] BStBl I 1999, 304.
[6] BStBl I 2004, 1158.
[7] BStBl I 2007, 28.

1.2 Inhalt der Vorschrift

 

Rz. 2

§ 11 Abs. 1 S. 1 EStG normiert für die zeitliche Zuordnung von Einnahmen als allgemeinen Grundsatz das Zuflussprinzip. In § 11 Abs. 2 S. 1 EStG werden die Ausgaben nach dem Abflussprinzip dem Kj. zugeordnet, in dem sie geleistet wurden. § 11 Abs. 1 S. 2 bis 4 und Abs. 2 S. 2 bis 3 EStG enthalten folgende Durchbrechungen des Zu- und Abflussprinzips: Nach § 11 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 2 EStG werden regelmäßig wiederkehrende Einnahmen bzw. Ausgaben, die kurze Zeit vor Beginn oder nach Beendigung des Kj., zu dem sie wirtschaftlich gehören, zu- bzw. abfließen, dem Kj. zugerechnet, zu dem sie wirtschaftlich gehören. § 11 Abs. 1 S. 3 und Abs. 2 S. 3 EStG regeln die Verteilung der Einnahmen und Ausgaben für eine längerfristige Nutzungsüberlassung. § 11 Abs. 1 S. 4 enthält i. V. m. § 38a Abs. 1 S. 2 EStG eine weitere Ausnahme von der Maßgeblichkeit des Zuflusszeitpunkts für laufenden (regelmäßig zufließenden) Arbeitslohn (§ 38a EStG Rz. 7). Ebenfalls abweichend vom Zuflussprinzip gilt durch den Verweis auf § 40 Abs. 3 S. 2 EStG auf den Arbeitnehmer abgewälzte pauschale LSt als zugeflossener Arbeitslohn (Rz. 62; § 40 EStG Rz. 57).

§ 11 Abs. 1 S. 5 und Abs. 2 S. 4 EStG schließen das Zu- und Abflussprinzip bei der Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG bzw. § 5 EStG – nicht aber bei der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG – aus.[1]

1.3 Sinn und Zweck der Regelung

 

Rz. 3

§ 11 EStG ist in unmittelb...

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