Rz. 117

Sofern das eingebrachte Betriebsvermögen von der übernehmenden Personengesellschaft mit dem Buchwert oder einem Zwischenwert angesetzt wird, werden stille Reserven, die sich auf der Ebene des Einbringenden gebildet haben, auf die Personengesellschaft übertragen. In diesem Fall stellt sich die Frage, ob die stillen Reserven

  • der Höhe nach und objektbezogen,
  • nur der Höhe nach (objektbezogener "Austausch" von stillen Reserven ist zulässig) oder
  • noch nicht einmal der Höhe nach ("Überspringen" von stillen Reserven ist zulässig)

dem Einbringenden zugeordnet werden müssen.

 
Praxis-Beispiel

A und B bringen jeweils ein Einzelunternehmen in eine Personengesellschaft ein. Die fortzuführenden Buchwerte der Einzelunternehmen betragen 100 (A) bzw. 200 (B), die gemeinen Werte jeweils 500. A und B sollen zu gleichen Teilen an der Personengesellschaft beteiligt sein.

Die Bilanz der Personengesellschaft kann grundsätzlich auf drei unterschiedliche Arten aufgestellt werden.

1. Alternative: Zuordnung der stillen Reserven der Höhe nach und objektbezogen

Über die Ergänzungsbilanzen sind A 400 und B 300 stille Reserven und zudem genau die stillen Reserven zugeordnet worden, die jeweils bereits vor der Einbringung zugeordnet waren.

Sofern die Personengesellschaft das vormalige Einzelunternehmen des A veräußert, ist der daraus entstehende Gewinn ausschließlich von A zu versteuern. Entsprechendes gilt im Fall der Veräußerung des vormaligen Einzelunternehmens des B.

2. Alternative: Austausch von stillen Reserven

Über die Ergänzungsbilanz des A bleiben die stillen Reserven (nur) der Höhe nach den Steuersubjekten zugeordnet, bei denen sie entstanden sind. Auf A entfallen weiterhin 400 und auf B 300 stille Reserven. Allerdings sind die stillen Reserven nicht mehr objektbezogen zugeordnet, sodass auf den A auch 150 stille Reserven aus dem Einzelunternehmen B und auf B 150 stille Reserven aus dem Einzelunternehmen A entfallen. Es hat mithin ein Austausch der stillen Reserven stattgefunden.

Sofern die Personengesellschaft nunmehr z. B. das vormalige Einzelunternehmen des A veräußert, ist der Veräußerungsgewinn von 400 zu 250 von A und zu 150 von B zu versteuern.

3. Alternative: Überspringen von stillen Reserven

A hat sein Einzelunternehmen ausschließlich gegen Gutschrift auf dem Kapitalkonto I, B hingegen sein Einzelunternehmen teilweise auch gegen Gutschrift auf einem gesamthänderisch gebundenen Rücklagenkonto eingebracht. Im Ergebnis hat B damit einen anteiligen Buchwert von 50 an A abgegeben, sodass auf A und B jeweils 350 stille Reserven entfallen. 50 stille Reserven sind mithin von A auf B übergesprungen.

Im Fall der Veräußerung beider Einzelunternehmen durch die Personengesellschaft hätten A und B jeweils einen Veräußerungsgewinn von 350 zu versteuern.

 

Rz. 118

Nach h. M. wird zumindest der objektbezogene Austausch von stillen Reserven vom Gesetzgeber geduldet und steht wohl auch noch im Einklang mit dem sich aus dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ableitenden Steuersubjekt- bzw. Individualprinzip.[1] Die Duldung durch den Gesetzgeber ist nicht zuletzt an § 24 Abs. 5 UmwStG zu erkennen, wo implizit unterstellt wird, dass stille Reserven, die vor der Einbringung einer nicht durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Person zugeordnet waren, nach der Einbringung einer durch § 8b Abs. 2 KStG begünstigten Person zugeordnet sein können.

Sollten jedoch stille Reserven der Höhe nach über Ergänzungsbilanzen dem Einbringenden zugeordnet werden müssen, so sind die stillen Reserven, soweit dies möglich ist, auch objektbezogen dem Einbringenden zuzuordnen, in dessen Sphäre sie entstanden sind. Ein willkürlicher Austausch der stillen Reserven dürfte gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip verstoßen, da dies zu einem Austausch von Steuerentstehungszeitpunkten und mithin zu veränderten Steuer(barwert)belastungen führen kann.

 

Rz. 119

Nach wohl h. M. soll darüber hinaus auch das Überspringen von stillen Reserven zulässig sein.[2]

 

Rz. 120

Nach der hier vertretenen Auffassung kann die Zulässigkeit des Überspringens nicht aus § 24 Abs. 5 UmwStG. Denn Sinn und Zweck dieser Regelungen können auch in der Verhinderung des bloßen Austauschs von stillen Reserven liegen.

Auch § 6 Abs. 5 S. 3 Nr. 3 EStG oder § 6 Abs. 3 EStG, welche unstreitig ein Überspringen stiller Reserven in Einzelfällen legitimieren, können nicht als Beleg für eine generelle Zulässigkeit des Überspringens stiller Reserven gewertet werden. In diesen Fällen gibt es besondere Gründe, vornehmlich die Nicht-Behinderung der Unternehmensnachfolge, weshalb der Gesetzgeber – im Wesentlichen in Umsetzung der Rechtsprechung des BFH – eine Durchbrechung des übergeordneten Steuersubjektprinzips für zulässig erachtet hat.

Da in den Fällen der Einbringung in eine Personengesellschaft die Zulässigkeit des Überspringens stiller Reserven dementgegen eben nicht zwingend notwendig ist, um die Fortsetzung des unternehmerischen Engagements in anderer Form steuerneutral zu ermöglichen, ist das übergeordnete Steuer...

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