Rz. 99

Das ab 2001 in Deutschland geltende Körperschaftsteuersystem einschließlich der Besteuerung der Dividendeneinkünfte beim Anteilsinhaber geht zurück auf die Empfehlungen einer Sachverständigenkommission, der sog. Brühler Empfehlungen.[1]

 

Rz. 100

Das aufgrund des Steuersenkungsgesetzes v. 23.10.1999[2] in Deutschland geltende Körperschaftsteuersystem ist ein klassisches System mit Doppelbesteuerung. Diese körperschaftliche Doppelbelastung wird in zwei Stufen auf ein als angemessen empfundenes Maß reduziert.

Die erste Stufe bildet die Besteuerung des Einkommens auf der Ebene der Körperschaft. Der für Körperschaften geltende Steuersatz ist mit 15 % niedrig angesetzt, um damit die bei Ausschüttungen eintretende Doppelbelastung zu mindern. Das Gesetz ist also nicht den Weg des gespaltenen Steuersatzes gegangen. Dies hat zur Folge, dass auch die nicht ausgeschütteten Teile des Einkommens sowie die nicht ausschüttbaren Teile des Einkommens (nicht abziehbare Ausgaben) der niedrigen Steuerbelastung unterliegen, also Bereiche, die nicht von der körperschaftsteuerlichen Doppelbelastung betroffen sind. Die Milderung der Doppelbelastung durch Reduzierung des Tarifsteuersatzes auf der Ebene der Körperschaft ist daher weniger zielgenau als das System des gespaltenen Steuersatzes.

 

Rz. 101

Die zweite Stufe der Milderung der Doppelbelastung betrifft die Ebene des Anteilseigners. Ist der Anteilseigner eine natürliche Person, wird die von der Körperschaft erhaltene Ausschüttung (Dividende nach Abzug der KSt der Körperschaft, aber vor KapESt) nach § 3 Nr. 40 EStG nur zur Hälfte als Bemessungsgrundlage angesetzt (Halbeinkünfteverfahren anstelle des Halbsatzverfahrens). Entsprechend werden nach § 3c Abs. 2 EStG mit der Ausschüttung zusammenhängende Aufwendungen, z. B. Zinsen für den Erwerb der Beteiligung; Depot- und Verwaltungskosten, nur zur Hälfte zum Abzug zugelassen. Das Teileinkünfteverfahren gilt, außer für Ausschüttungen, auch für sonstige Vermögensmehrungen, die bei natürlichen Personen als Anteilseignern der Besteuerung unterliegen[3], z. B. für Veräußerungsgewinne bei im Betriebsvermögen gehaltenen Anteilen oder von steuerverstrickten Anteilen.[4]

 

Rz. 102

Ist der Anteilseigner eine Körperschaft, gilt nicht ein Halbeinkünfte-, sondern ein Freistellungsverfahren. Gewinnausschüttungen und Veräußerungsgewinne sind bei der Körperschaft als Anteilseigner nicht in die Besteuerung einbezogen (§ 8b Abs. 1, 2 KStG). Damit wird berücksichtigt, dass die Körperschaft, die die Auskehrungen erhält, ihrerseits natürliche Personen als Anteilseigner hat, bei denen die Weiterausschüttung vom Teileinkünfteverfahren erfasst werden. Die Steuerfreistellung auf der Ebene der Körperschaft vermeidet also eine Mehrfachbesteuerung bei "Ausschüttungskaskaden" (vgl. § 8b KStG Rz. 3). Zweck des § 8b Abs. 1 KStG ist es, mit KSt vorbelastete Dividenden auf allen weiteren Zwischenstufen freizustellen[5], um eine Steuerkumulation bzw. Doppel- und Mehrfachbelastung zu vermeiden.[6] Die körperschaftsteuerliche Vorbelastung der nach § 8b Abs. 1 KStG freizustellenden Bezüge und Gewinne ist regelungsimmanent.[7]

 

Rz. 103

Im geltenden klassischen System mit Halb- bzw. Null-Einkünfteverfahren ist die KapESt beibehalten worden.[8] Für sie gilt jedoch das Teileinkünfteverfahren nicht. Bemessungsgrundlage der KapESt ist nach § 43 Abs. 1 S. 3 EStG die gesamte Ausschüttung, nicht nur der nach § 3 Nr. 40 EStG steuerpflichtige Teil. Entsprechendes gilt bei Ausschüttungen an Körperschaften als Anteilseigner; auch hier wird, ungeachtet der vollständigen Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG, die KapESt auf die gesamte Ausschüttung erhoben.[9]

Unter Berücksichtigung der von der Körperschaft entrichteten KSt (nicht der GewSt) entspricht dies einer Steuerbelastung (ohne SolZ) von rd. 36 % und ist damit gleich der Steuerbelastung auf den steuerpflichtigen Teil der Dividende von 60 % bei einem Steuersatz von 42 %. Die gleiche Steuerbelastung entsteht bei der Abgeltungsteuer nach § 32d EStG mit einem Abgeltungsteuersatz von 25 %.

 

Rz. 104

Bei Körperschaften entsteht durch die KapESt an sich die gleiche Steuerbelastung von 36 %. Bei inländischen Körperschaften ist die erhaltene Gewinnausschüttung wegen § 8b Abs. 1 KStG nicht im Einkommen enthalten, wird also nicht besteuert. Dagegen wird die KapESt auf die KSt angerechnet bzw. erstattet, sodass die Steuerbelastung allein in der von der ausschüttenden Körperschaft gezahlten KSt von 15 % besteht. Die KapESt von 25 % hat daher nur für ausländische Körperschaften als Ausschüttungsempfänger im Rahmen ihrer beschränkten Steuerpflicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 5 Buchst. a EStG Bedeutung. Da jedoch auch für diese Körperschaften der KSt-Steuersatz nur 15 % beträgt, wäre die Steuerbelastung von 25 % unter Berücksichtigung der Abgeltungswirkung der KapESt nach § 32 Abs. 1 Nr. 2 KStG zu hoch. Aus diesem Grund sieht § 44a Abs. 9 S. 1 EStG die Erstattung von zwei Fünfteln der KapESt vor, wodurch die Steuerbelastung auf 15 % gesenkt wird. Andererseits g...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge