Rz. 54

Anteilseigner mit niedrig besteuertem Einkommen, meist Kleinaktionäre, haben im Allgemeinen nur eine verhältnismäßig lockere Bindung an das Unternehmen, in das sie ihr Kapital investiert haben. Vor die Wahl gestellt, höhere Ausschüttungen zu verlangen oder einer Rücklagenbildung zuzustimmen, werden sie sich im Zweifel für die Ausschüttung entscheiden. Die Ausschüttung gibt ihnen die Möglichkeit, die Dividende wieder in lohnenden Beteiligungswerten anzulegen, und zwar auch in Aktien anderer Gesellschaften. Dies ist für Kleinaktionäre häufig attraktiver als eine – u. U. nur geringe – Wertsteigerung, die die alte Aktie infolge höherer Rücklagenbildung erfährt. Verstärkt wird diese Tendenz durch steuerliche Überlegungen. Ein klassisches Körperschaftsteuersystem mit gespaltenem Steuersatz, bei dem der Ausschüttungssteuersatz deutlich niedriger liegt als der Thesaurierungssteuersatz, aber auch ein Anrechnungssystem mit einem Ausschüttungssteuersatz, der unter dem Tarifsteuersatz liegt, begünstigt Ausschüttungen zulasten der Rücklagenbildung. Die Gesamtbelastung des zur Ausschüttung verwendeten Gewinns mit ermäßigter KSt und persönlicher ESt wird bei Kleinaktionären dann häufig niedriger sein als die Belastung mit der höheren KSt, der der einbehaltene Gewinn bei der Gesellschaft unterliegen würde.

 

Rz. 55

Anders ist die Situation bei Großaktionären, deren Bezüge regelmäßig einem hohen Einkommensteuersatz unterliegen. Schon wegen ihrer engeren Bindung an das Unternehmen werden Großaktionäre eine Selbstfinanzierung durch Rücklagenbildung der Ausschüttung mit anschließender Wiedereinlage vorziehen. Die Belastung des ausgeschütteten Gewinns mit KSt und hoher progressiver ESt kann zusammen höher sein als die Belastung des im Unternehmen verbleibenden Gewinns allein mit KSt.

 

Rz. 56

Dieser Interessengegensatz zwischen den verschiedenen Klassen der Aktionäre wird verstärkt, wenn der Thesaurierungssteuersatz wesentlich unter der Gesamtbelastung bei Ausschüttung liegt, wie dies im Teileinkünfteverfahren der Fall ist. Für Kleinaktionäre wird eine Ausschüttung trotz der damit verbundenen insgesamt höheren Steuerbelastung wirtschaftlich attraktiver sein als die Thesaurierung. Großaktionäre werden wegen ihrer engeren Bindung an die Körperschaft eher geneigt sein, Steuern durch Thesaurierung zu dem niedrigeren Thesaurierungssteuersatz zu sparen.

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