Rz. 23

Das Steuersystem führt zu einer unterschiedlichen Belastung des Steuerpflichtigen, je nachdem, in welcher Rechtsform das Unternehmen geführt wird. Während die Gewinne aus Einzelunternehmen und die Gewinnanteile aus der Beteiligung an einer Personengesellschaft der ESt mit dem persönlichen Steuersatz unterliegen, sind die Gewinnanteile aus der Beteiligung an juristischen Personen vorab mit KSt belastet, wobei die Dividendenausschüttung zusätzlich der ESt mit dem persönlichen Steuersatz des Dividendenempfängers, jedoch gemildert durch das Teileinkünfteverfahren (vgl. Rz. 72ff.) unterliegt. Die Besteuerungsfolgen sind aufgrund dieses "Dualismus der Unternehmensbesteuerung" rechtsformabhängig.[1] Anders war es nur unter der Geltung des Anrechnungsverfahrens von 1977 bis 2001 (vgl. Rz. 80ff.).

 

Rz. 24

Diese unterschiedliche Belastung beeinträchtigte den Wettbewerb, weil betriebswirtschaftlich gleiche und damit im Wettbewerb zueinanderstehende wirtschaftliche Tätigkeiten je nach der Rechtsform unterschiedlich besteuert werden. Dies hat dazu geführt, dass die Wahl der Rechtsform nicht allein nach betriebswirtschaftlichen und unternehmenspolitischen Gesichtspunkten getroffen wird, sondern dass steuerrechtliche Überlegungen auf diese Entscheidung erheblichen Einfluss gewinnen.[2] Nicht zuletzt auf solche Überlegungen ist das Anwachsen der Zahl von Betrieben in der Rechtsform der GmbH & Co. KG oder der Betriebsaufspaltung zurückzuführen. Die GmbH & Co. KG ist historisch ein Kind des Steuerrechts[3] und gesellschaftsrechtliche Typenvermengungen sind häufig steuerrechtlich motiviert. Das Steuerrecht ist häufig Auslöser und zugleich Maßstab für die Entwicklung neuer Gesellschaftsformen.[4]

 

Rz. 25

Der starke Einfluss steuerlicher Überlegungen auf die Rechtsformwahl führt aus betriebswirtschaftlicher Sicht zur Gefahr einer unzweckmäßigen Ressourcenallokation. Wenn eine bestimmte Rechtsform nur oder überwiegend aus steuerlichen Gründen gewählt wird, kann dies aus betriebswirtschaftlicher Sicht eine unzweckmäßige Rechtsform sein. Das Steuerrecht kann damit zur ökonomischen Ineffizienz beitragen. Hieraus wird das Postulat der Entscheidungsneutralität der Besteuerung abgeleitet, wonach die Besteuerung so zu gestalten ist, dass wirtschaftlich gleiche oder vergleichbare Sachverhalte gleich besteuert werden, unabhängig von der Rechtsfolge. Diese betriebswirtschaftlichen Effizienz- und Neutralitätskriterien führen zum Postulat der rechtsformunabhängigen Besteuerung. Im Einzelnen wird gefordert, dass die Besteuerung keine entscheidungsrelevanten Auswirkungen auf die wirtschaftliche Tätigkeit der Wirtschaftssubjekte (Wettbewerbsneutralität) und auf die Zurverfügungstellung von Eigen- oder Fremdkapital (Finanzierungsneutralität) haben soll.[5] Das gegenwärtige Steuerrecht erfüllt diese Postulate nicht[6]; die Besteuerung ist rechtsformabhängig.[7]

 

Rz. 26

Entscheidungsneutralität ist zunächst ein Postulat der betriebswirtschaftlichen Steuerlehre[8] bzw. der Finanzwissenschaft.[9] Diese dürfen indes nicht mit Verfassungsvorgaben gleichgesetzt werden. Vielmehr müsste verfassungsrechtlich eine Notwendigkeit (nicht nur eine betriebswirtschaftliche Zweckmäßigkeit) für eine rechtsformunabhängige Besteuerung bestehen. Davon abhängig ist die Frage, ob das gegenwärtige Steuersystem infolge seiner Rechtsformabhängigkeit gegen Art. 3 GG verstößt.

 

Rz. 27

Das Gleichheitsgebot des Art. 3 GG erfordert es, gleiche Sachverhalte gleich zu behandeln; ungleiche Sachverhalte können ungleich behandelt werden. Dem Gesetzgeber steht bei seiner Entscheidung über das anzuwendende Steuersystem ein weiter Ermessensspielraum offen; er darf nur keine schlechthin ungeeignete und sachwidrige Regelungen treffen.

 

Rz. 28

Der Gesetzgeber kann grundsätzlich die Rechtsform als maßgebenden Anknüpfungstatbestand für die Besteuerung wählen.[10] Natürliche Person und Körperschaft weisen rechtlich so grundlegende unterschiedliche Strukturen auf, dass hieran auch unterschiedliche steuerliche Folgerungen geknüpft werden können.[11] Art. 3 GG erfordert also nicht zwingend eine vollständige steuerliche Gleichbehandlung von natürlicher Person und Körperschaft.[12] So liegt es z. B. im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens, wenn bei Einzelunternehmer bzw. Gesellschaftern von Personengesellschaften Verluste steuerlich sofort nutzbar sind, bei Gesellschaftern von Kapitalgesellschaften jedoch nicht.

 

Rz. 29

Zu berücksichtigen ist auch, dass der Gesetzgeber die Doppelbelastung von Körperschaft und Anteilseigner berücksichtigen und damit in Betracht ziehen kann, dass die thesaurierten Gewinne bei einer Ausschüttung oder letztlich bei Liquidation der Doppelbelastung unterliegen werden.

Die Belastungsunterschiede sind daher durch die unterschiedliche rechtliche Struktur von Einzelunternehmen bzw. Personengesellschaft einerseits und Körperschaft andererseits gerechtfertigt und halten sich noch im Rahmen des gesetzgeberischen Ermessens. Das hat das BVerfG jüngst bestätigt: "Art. 3 Abs. 1 GG z...

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