Rz. 280

Der Maßstab der verdeckten Gewinnausschüttung ist das Verhalten eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters. Ein solcher Geschäftsleiter muss bei seinen Entscheidungen eine Vielzahl von Faktoren einbeziehen; diese Faktoren müssen auch bei der Beurteilung, ob seine Handlungen eine verdeckte Gewinnausschüttung bedeuten, berücksichtigt werden. Ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter kann bewusst ein nachteiliges Geschäft eingehen, weil er hofft, dass ihm hieraus später Vorteile erwachsen. Je nach den Umständen des Falls kann der erhoffte Vorteil mehr oder weniger sicher sein und in näherer oder fernerer Zukunft erwartet werden. Auch wenn ein solches Geschäft mit einem Gesellschafter abgeschlossen wird, liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung im Tatbestand nicht vor, wenn das fragliche Geschäft wegen der zu erwartenden künftigen Vorteile auch mit einem unabhängigen Dritten abgeschlossen worden wäre.

Diese Überlegungen werden unter dem Begriff "Vorteilsausgleich" zusammengefasst (Ausgleich der Nachteile des ungünstigen Geschäfts mit erwarteten Vorteilen). Es handelt sich insoweit nicht um einen Aspekt der Bewertung einer verdeckten Gewinnausschüttung, sondern um die Frage, ob im Tatbestand überhaupt eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt.

 

Rz. 281

Um zu einer sachgerechten Ausgestaltung des Instituts des Vorteilsausgleichs zu kommen, sind verschiedene Fallgruppen zu unterscheiden.

Steht die Beurteilung eines einheitlichen Rechtsgeschäfts infrage, z. B. eines gegenseitigen Vertrags, so kann dieses Rechtsgeschäft nur einheitlich, unter Berücksichtigung all seiner Bedingungen, angemessen oder unangemessen sein. Bei der Beurteilung der Angemessenheit sind alle Faktoren einzubeziehen. Ein Aufspalten des einheitlichen Geschäfts in Einzelfaktoren und die Untersuchung, ob diese einzelnen Faktoren jeweils für sich genommen angemessen sind oder nicht, sind nicht zulässig.

 
Praxis-Beispiel

Kauf einer Maschine. Nicht zulässig ist es, Kaufpreis, Zahlungsbedingungen und Garantiebedingungen isoliert voneinander zu untersuchen und etwa den Kaufpreis als angemessen zu akzeptieren, die Zahlungs- und Garantiebedingungen aber als unangemessen zu beanstanden. Stattdessen ist das Geschäft als Ganzes, unter Berücksichtigung des vereinbarten Kaufpreises, der Zahlungs- und Garantiebedingungen, zu würdigen.

Hierbei handelt es sich nicht um einen Vorteilsausgleich. Ein Vorteilsausgleich setzt immer zumindest zwei selbstständige Rechtsgeschäfte voraus (wenn auch u. U. innerhalb einer einheitlichen Geschäftsbeziehung), von denen das eine nachteilig, das andere vorteilhaft ist. Liegt nur ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, kann dieses nur insgesamt vorteilhaft oder nachteilig sein. Ein "Ausgleich" ist damit schon begrifflich nicht möglich.

 

Rz. 281a

Entsprechende Grundsätze gelten auch für Dauerrechtsverhältnisse. Ein Dauerrechtsverhältnis ist ein einheitliches Rechtsgeschäft, auch wenn es über längere Zeit läuft. Bei der Beurteilung aus dem Standpunkt des Abschlusses dieses Vertrages ist das gesamte Rechtsgeschäft einheitlich zu würdigen, d. h. es kann nur insgesamt angemessen oder nicht angemessen sein. Eine für einen bestimmten Zeitraum anfallende zu hohe Gegenleistung kann dabei im Wege des Vorteilsausgleichs mit einer für einen anderen Zeitraum anfallenden zu niedrigen Gegenleistung verrechnet werden, soweit für diese Zeiträume insgesamt keine Kündigungsmöglichkeit besteht. Ändern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse und wird ab einem bestimmten Zeitpunkt die Gegenleistung unangemessen, kann kein Vorteilsausgleich mit einer vorher angefallenen zu niedrigen Gegenleistung erfolgen. Vielmehr muss der Geschäftsleiter das Dauerschuldverhältnis ab der nächsten Kündigungsmöglichkeit kündigen. Beispielsweise kann der Abschluss eines Mietvertrags (Dauerschuldverhältnis) im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur einheitlich vorteilhaft oder nachteilig sein. Bei dieser Beurteilung ist z. B. einzubeziehen, dass zwar ein verhältnismäßig hoher Mietzins vereinbart, aber auf längere Zeit fest ist. Auch ein Kontokorrentverhältnis ist ein einheitliches Rechtsverhältnis. Die Zinslosigkeit eines Kontokorrents kann daher nur dann eine verdeckte Gewinnausschüttung sein, wenn sie einen deutlichen Vorteil für eine der Parteien bildet, nicht jedoch, wenn beide Parteien in einem angemessenen Verhältnis in den Genuss der Zinslosigkeit kommen können.[1] Dabei ist nicht erforderlich, dass der Vorteil der Zinslosigkeit für beide Parteien genau gleich ist; es genügt, dass beide Seiten die gleiche Chance haben, hiervon zu profitieren. Demgegenüber bestehen bei einem Wiederkehrschuldverhältnis mehrere selbstständige Rechtsgeschäfte, die nur durch ein äußerliches Band (z. B. gleichartige Bedingungen, einheitliche Geschäftsbeziehung) zusammengehalten werden und die jedes für sich zu beurteilen sind.

 

Rz. 282

Liegen danach zwei oder mehr selbstständige Rechtsgeschäfte vor (z. B. Wiederkehrschuldverhältnis), greifen die Regeln über den Vorteilsausgl...

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