Rz. 197

Der Maßstab eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters ist insoweit nicht anwendbar, als Maßnahmen nur von einem Gesellschafter vorgenommen werden können, daher regelmäßig nicht in den Kompetenzbereich des Geschäftsführers fallen. Ein Drittvergleich ist dann nicht möglich.

 

Rz. 197a

Als Maßstab kann in diesen Fällen nur eine modifizierte Form der Angemessenheitsprüfung dienen. Es ist zu prüfen, ob der Gewinn der Gesellschaft durch die fragliche Maßnahme unangemessen gemindert wird. Da es sich immer um gesellschaftsrechtlich beeinflusste Vorgänge handelt, indiziert die Unangemessenheit gleichzeitig die Notwendigkeit einer steuerlichen Korrektur und somit das Vorliegen einer verdeckten Gewinnausschüttung. Modifiziert ist die Angemessenheitsprüfung deshalb, weil keine wirtschaftlichen (tatsächlichen) Maßstäbe für die Angemessenheit zur Verfügung stehen. Grundlage ist eine steuerliche Wertung; es ist aus der Sicht der steuerlichen Systematik zu fragen, welche Gewinnminderung angesichts der Umstände des einzelnen Falls noch angemessen ist.

 

Rz. 198

Der wesentliche Anwendungsfall dieser Grundsätze liegt nach der Rspr. in der "Erstausstattung".[1] Es ist Sache der Gesellschafter zu entscheiden, ob sie das von der Gesellschaft für ihre Geschäftstätigkeit benötigte Kapital als Eigen- oder Fremdkapital zur Verfügung stellen. Durch die Bereitstellung von Fremdkapital, auch durch Gesellschafter-Fremdkapital, und durch die damit verbundene Zinsbelastung kann das Gewinnpotenzial erheblich reduziert werden. Steuerlich sind die Entscheidungen der Gesellschafter insoweit zu akzeptieren. Insoweit greift aber eine eigenständige "Angemessenheitsprüfung" ein. Eine Kapitalgesellschaft ist, anders als eine Genossenschaft, in ihrem Gesellschaftszweck auf die Erzielung von Gewinnen gerichtet. Wird die Erstausstattung nun so konzipiert, dass der von der Gesellschaft erzielbare Gewinn auf Dauer über eine Eigenkapitalverzinsung bzw. eine Risikovergütung für das nicht eingezahlte Kapital oder einen "Mindestgewinn" nicht hinausgehen kann, ist diese unangemessen und kann zur verdeckten Gewinnausschüttung führen.[2]

 

Rz. 198a

M. E. ist die Rspr. zur Erstausstattung nicht mehr anwendbar. Grundsätzlich obliegt es dem Gesellschafter, nach dem Prinzip der Finanzierungsfreiheit zu entscheiden, in welchem Umfang er die Gesellschaft mit Eigenkapital ausstattet. Um insoweit eine als missbräuchlich angesehene hohe Fremdkapitalausstattung zu verhindern, hat der Gesetzgeber die Zinsschranke in § 4h EStG i. V. m. § 8a KStG eingeführt, wobei § 8a KStG insbesondere eine überhöhte Gesellschafter-Fremdfinanzierung verhindert. Daneben hat ein auf die Finanzierung bezogenes Institut der "Erstausstattung" keine Berechtigung. Wenn die Zinsbelastung sich im Rahmen des § 4h EStG und § 8a KStG hält, kann eine verdeckte Gewinnausschüttung wegen einer zu niedrigen Eigenkapitalfinanzierung nicht vorliegen. Dabei verdrängt die gesetzliche Regelung zur Zinsschranke die nur auf der Rspr. beruhenden Regeln über die Erstausstattung.

 

Rz. 198b

Ein weiterer Fall dieser Art liegt vor bei Zuwendungen an Gesellschafter im Zusammenhang mit der Teilnahme an Gesellschafterversammlungen. Angemessene Zuwendungen (Erfrischungen) sind Betriebsausgaben, über dieses Maß hinausgehende Zuwendungen sind verdeckte Gewinnausschüttungen.[3]

 

Rz. 198c

Dagegen ist die (erstmalige) Anstellung eines Geschäftsführers ein Geschäft, das auch mit einem Dritten abgeschlossen werden könnte; es gelten daher die allgemeinen Regeln der Angemessenheitsprüfung.[4]

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