Rz. 143

Aus den beiden Grundgedanken, die die Rechtsprechung des BFH zum beherrschenden Gesellschafter prägen (vgl. Rz. 117), folgt, dass eine Leistung an den beherrschenden Gesellschafter, auch wenn sie angemessen ist, nur dann schuldrechtlich veranlasst und damit keine verdeckte Gewinnausschüttung ist, wenn sie im vorhinein, klar und eindeutig nach Grund und Höhe durch einen zivilrechtlich wirksamen Vertrag vereinbart ist. Nur dann ist sichergestellt, dass der beherrschende Gesellschafter nicht nachträglich seine Stellung aus steuerlichen Gründen verändert, und dass er tatsächlich seinen Leistungsverkehr mit der Gesellschaft von Anfang an auf eine schuldrechtliche Grundlage hat stellen wollen. Die zivilrechtlich wirksame Vereinbarung dient also dazu, zu verdeutlichen, dass ein schuldrechtlicher und kein verdeckter gesellschaftsrechtlicher Anlass zugrunde liegt.[1]

 

Rz. 144

Das Fehlen einer solchen Vereinbarung hat eine doppelte Wirkung. Es wird die widerlegbare Vermutung begründet, dass die Zuwendung im Gesellschaftsverhältnis begründet ist.[2] Wird diese Vermutung nicht widerlegt, kommt als zweite Wirkung hinzu, dass das Fehlen der schuldrechtlichen Grundlage jeden Nachweis der Angemessenheit der Leistung ausschließt, also wie eine unwiderlegbare Vermutung der Unangemessenheit wirkt.[3] Das Fehlen einer Vereinbarung begründet also eine widerlegbare Vermutung der Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis und eine unwiderlegbare Vermutung der Unangemessenheit. Durch dieses formale Kriterium wird durch die unwiderlegbare Vermutung die Anwendung der Angemessenheitsprüfung und des Fremdvergleichs ausgeschlossen. Diese Wirkungen bei Zuwendungen an den Gesellschafter treten auch dann ein, wenn entsprechende Zuwendungen (z. B. freiwillige Garantieleistungen) an Nichtgesellschafter ebenfalls ohne Vereinbarung erfolgt sind, die Zuwendung also dem Drittvergleich genügt.[4]

 

Rz. 145

Das Fehlen der vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung begründet in der vom BFH (a. a. O., Rz. 117) entwickelten Dogmatik nur eine widerlegbare Vermutung bzw. ein Indiz, dass die Zuwendung auf gesellschaftsrechtlichen Gründen beruhte. Diese Einschränkung der Bedeutung der formalen Voraussetzungen geht auf das BVerfG[5] zurück, das entschieden hatte, dass formale Kriterien nur als Beweisanzeichen (Indizien) verwendet, aber nicht verabsolutiert werden dürften. Dieses Indiz führt daher nicht unausweislich zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung. Vielmehr ist unter Verwendung diesen Indizes und unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles zu prüfen, ob eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung angenommen werden kann. Fehlen einzelne Merkmale einer vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung, ist z. B. die Vereinbarung nicht klar und eindeutig, ist daher jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob das damit vorliegende Indiz wirklich auf eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung hinweist.[6] Es ist also in jedem Einzelfall die Feststellung erforderlich, dass das Geschäft auf gesellschaftsrechtlichen Erwägungen beruht. Der BFH (a. a. O., Rz. 117) verwendet in diesem Zusammenhang Begriffe wie "Verdeutlichung" oder "Indizierung" der gesellschaftsrechtlichen oder schuldrechtlichen Veranlassung. Dies lässt an sich den Gegenbeweis zu, der jedoch schwierig zu erbringen ist. Im Ergebnis wirkt diese Vermutung jedoch praktisch wie eine unwiderlegbare Vermutung.[7]

 

Rz. 146

Der BFH[8] hat nur in extremen Sonderfällen von der Notwendigkeit einer vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung abgesehen:

  • Bei Tätigkeitsvergütungen und Tantiemen für beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer gibt es regelmäßig keine Lockerung der Voraussetzung der vorherigen, klaren und eindeutigen Vereinbarung. Dieser Bereich ist der eigentliche Anwendungsbereich der formalen Voraussetzungen. Beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern ist es regelmäßig zuzumuten, über die Leistungsbeziehungen im Vorhinein klare und eindeutige Vereinbarungen zu treffen.
  • In anderen Fällen kann eine rückwirkende Vereinbarung anerkannt werden, wenn nach den Besonderheiten des Einzelfalles eine vorherige Vereinbarung nicht möglich oder nicht zumutbar war. Der BFH hat das in einem Fall angenommen, in dem die Höhe des Entgelts erst nach Abwicklung der Leistung ermittelt werden konnte.
  • Liegt über die Hauptleistung eine vorherige, klare und eindeutige Vereinbarung vor, kann das Fehlen einer solchen Vereinbarung über eine Nebenleistung nicht zur Nichtanerkennung des ganzen Vertragsverhältnisses führen. Der entgeltliche, schuldrechtliche Charakter des Vertrages im Ganzen ist dann ausreichend dokumentiert. Die Vergütung für die Nebenleistung kann sich dann aus dem Gesetz[9] ergeben. Eventuell kann eine verdeckte Gewinnausschüttung hinsichtlich der Nebenleistung vorliegen, wenn diese aufgrund des Vertrages nicht geschuldet war.[10] Entsprechendes gilt für Nebenbestimmungen wie Fälligkeit und Abschlagszahlungen; hier genügt ein tatsächliches Verhalten entsprechend dem ...

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