Rz. 99

Der Tatbestand der verdeckten Gewinnausschüttung setzt voraus, dass die Minderung der Einkünfte im Interesse des Gesellschafters erfolgt. Handelt die Körperschaft nicht in eigenem Interesse, sondern im Interesse des Gesellschafters, kann der Rechtsgrund dieses Verhaltens, und damit der eingetretenen Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung nicht mehr in der Marktteilnahme mit schuldrechtlichen Mitteln liegen. Die Handlung beruht dann auf gesellschaftsrechtlichen Gründen; sie ist "societatis causa" erfolgt.[1]

 

Rz. 99a

Die "causa" ist der Rechtsgrund (der Zweck), der der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung auf der Ebene der Gesellschaft zugrunde liegt. Bei einer Leistung zwischen der Gesellschaft als Zuwendender und dem Zuwendungsempfänger ist die causa diejenige Beziehung, die die Leistung vom Leistenden zum Leistungsempfänger rechtfertigt ("rechtfertigen" nicht verstanden als "rechtlich zulässig", sondern als der Zweck, den der Leistende mit seiner Leistung verfolgt). Die "causa" i. d. S. ist Bestandteil des Rechtsgeschäfts zwischen Leistendem und Leistungsempfänger, sie ist nicht nur Motiv eines oder beider Beteiligter.

 

Rz. 99b

Die gesellschaftsrechtliche Veranlassung, verstanden als Handeln im Interesse des Gesellschafters, setzt grundsätzlich ein zielgerichtetes Handeln der Organe der Gesellschaft oder von sonstigen Personen, deren Handeln der Körperschaft zugerechnet werden kann, voraus.[2] Beruht die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung dagegen auf einer einseitigen, rechtmäßigen Rechtshandlung des Gesellschafters, kann keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen. Erlässt z. B. der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft eine betrieblich veranlasste Schuld (Einlage) unter einer auflösenden Bedingung und tritt diese Bedingung später ein, ist die Vermögensminderung durch das Wiederaufleben der Verbindlichkeit nicht gesellschaftsrechtlich, sondern durch Eintritt der Bedingung veranlasst. Auch die dann wieder zu zahlenden Zinsen sind betrieblich veranlasst, keine verdeckte Gewinnausschüttung.[3]

 

Rz. 100

Als Bestandteil des Rechtsgeschäfts ist die causa der Auslegung unterworfen. Zu ermitteln ist daher der Rechtsgrund (causa), wie er sich aus den Erklärungen des Leistenden und des Leistungsempfängers, aus dem Gesamtverhalten der Beteiligten und aus der Wertung der maßgebenden Umstände objektiv ergibt. Entscheidend ist damit, welcher Rechtsgrund der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung nach dem objektiven Erklärungswert des Rechtsgeschäfts bzw. der sonstigen Beziehung zwischen den Beteiligten zugrunde liegt. Subjektive Elemente, wie Absicht usw., sind nicht maßgebend.[4]

 

Rz. 101

Mit dem Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung sind auch die Fälle zu lösen, in denen Leistungen im Interesse des Gesellschafters letztlich zu keiner Bereicherung des Gesellschafters geführt haben (sog. fehlgeschlagene verdeckte Gewinnausschüttungen).

 
Praxis-Beispiel

Die Kapitalgesellschaft erwirbt für das Jubiläum ihres (beherrschenden) Gesellschafters ein (unangemessen wertvolles) Geschenk. Vor der Übergabe des Geschenks geht dieses durch Zufall unter. Der Fall lässt sich noch folgendermaßen zuspitzen: Die Gesellschaft besitzt seit Langem ein wertvolles Gemälde zur Ausschmückung ihres Konferenzraums. Dieses Gemälde wird als Geschenk für den Gesellschafter bestimmt; danach, aber vor der Übergabe, geht es durch Zufall unter.[5]

Bei Übergabe des Geschenks hätte zweifellos eine verdeckte Gewinnausschüttung vorgelegen. Vor diesem Zeitpunkt war der Erwerb des Geschenks ebenfalls gesellschaftsrechtlich veranlasst. Ohne den Zweck, dem Gesellschafter ein Geschenk zu machen, wäre der Gegenstand nicht erworben worden. Da das Geschenk aber mit den Anschaffungskosten in der Bilanz der Gesellschaft zu aktivieren war, lag noch keine in diesem Zeitpunkt zu erfassende verdeckte Gewinnausschüttung vor, da es an der Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung und an der Einkommensminderung fehlte. Im Alternativfall, in dem ein der Gesellschaft bereits gehörender Gegenstand zum Geschenk bestimmt wurde, gilt Entsprechendes. Die Bestimmung zum Geschenk ist zwar gesellschaftsrechtlich veranlasst, es liegt aber hierin weder eine Vermögensminderung (verhinderte Vermögensmehrung) noch eine Einkommensminderung, also auch keine verdeckte Gewinnausschüttung. Die rein subjektive Zweckbestimmung kann bei einer Kapitalgesellschaft mangels einer privaten Sphäre noch keine steuerlichen Auswirkungen haben.

Der Untergang des für den Gesellschafter bestimmten Geschenks führt zu einer Vermögens- und einer Einkommensminderung. Stellt man für die steuerliche Beurteilung nur auf die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung und ihre Veranlassung ab, bereitet die Lösung des Falls Schwierigkeiten. Der zufällige Untergang selbst, und damit die Minderung der Einkünfte der Gesellschaft, ist kein gesellschaftsrechtlich veranlasstes Ereignis, kann daher auch keine verdeckte Gewinnauss...

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