Rz. 97

Die Frage, in welchen Fällen die Vermögensminderung bzw. verhinderte Vermögensmehrung im Interesse des Gesellschafters erfolgt und daher eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung vorliegt, ist der Kernbereich des Instituts der verdeckten Gewinnausschüttung.[1] Neben der Definition der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung als "societatis causa"[2] und dem Grundsatz, dass Vereinbarungen nur dann eine betriebliche Basis für eine Vermögensminderung bzw. verhinderten Vermögensmehrung bei der Gesellschaft bieten, wenn sie tatsächlich durchgeführt worden sind[3], sind einige Maßstäbe zur Beurteilung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung entwickelt worden. Diese Maßstäbe sind keine Tabestandsmerkmale der verdeckten Gewinnausschüttung, sondern Indizien und Beweiswürdigungsregeln, mithilfe deren festgestellt werden kann, ob eine Handlung der Körperschaft auf gesellschaftsrechtlicher Veranlassung beruht. Ihre Rechtsgrundlage finden diese Maßstäbe in §§ 85, 88 AO und § 76 Abs. 1 FGO.[4]. In dieser Funktion wirken sie nicht absolut, sondern können entkräftet bzw. widerlegt werden. Ihre Bedeutung besteht also darin, dass sie dem Stpfl. die Last auferlegen, diese Indizien durch gegenläufige Indizien zu entkräften. Das ist praktisch allerdings nur sehr schwer möglich, da Finanzverwaltung und Finanzrechtsprechung diesen Maßstäben eine hohe Beweiskraft zuerkennen.

Diese Maßstäbe sind

  • der formale Maßstab für Zuwendungen an den beherrschenden Gesellschafter[5],
  • der Maßstab des ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters[6],
  • der Maßstab bei Geschäften, die nur mit Gesellschaftern abgeschlossen werden können.[7]
  • Teilweise wird ein "Maßstab der Üblichkeit" vertreten.[8]

Die einzelnen Maßstäbe stehen unabhängig nebeneinander; es gibt keine Prüfungsreihenfolge.[9]

 

Rz. 98

Das Merkmal der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung bedeutet, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt, wenn das Geschäft im Sinne einer "causa" durch das Gesellschaftsverhältnis verursacht ist, wenn also das Gesellschaftsverhältnis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass das Geschäft seinen Zweck verlieren würde. Es bildet das wichtigste Tatbestandsmerkmal der verdeckten Gewinnausschüttung, bedarf aber einer einschränkenden Interpretation. Dieses Tatbestandsmerkmal ist kein Selbstzweck, sondern hat eine bestimmte Funktion zu erfüllen. Es soll die Abgrenzung der Einkommenserzielung von der Einkommensverwendung ermöglichen und dadurch die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Körperschaft sicherstellen. Dieser Zweck ist bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der "gesellschaftsrechtlichen Veranlassung" zu berücksichtigen. Daraus folgt, dass nicht die gesellschaftsrechtlich veranlasste Geschäftsbeziehung schlechthin als verdeckte Gewinnausschüttung zu erfassen ist, sondern nur eine solche, bei der durch die gesellschaftsrechtliche Grundlage die Grenzlinie zwischen Einkommenserzielung und -verwendung zulasten der Körperschaft verschoben wird. Alle Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter sind in irgendeiner Form gesellschaftsrechtlich verursacht i. S. einer "conditio sine qua non".[10] Würde man für Zwecke der verdeckten Gewinnausschüttung die gesellschaftsrechtliche Veranlassung als "conditio sine qua non" definieren, würde man also lediglich prüfen, ob das Geschäft auch bei Fortfall der gesellschaftsrechtlichen Beziehung zustande gekommen wäre, würde man wohl bei allen Geschäften zwischen Gesellschaft und Gesellschafter zu einer verdeckten Gewinnausschüttung kommen. Allein daraus, dass das Geschäft in seiner konkreten Form ohne das Gesellschaftsverhältnis nicht oder nicht so zustande gekommen wäre folgt aber nicht unbedingt, dass die Grenze von der Einkommenserzielung hin zur Einkommensverwendung durch das einzelne Geschäft verschoben worden ist. Vielmehr kann der Fall so gestaltet sein, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit trotz der gesellschaftsrechtlichen Verursachung nicht beeinträchtigt ist, weil die Geschäfte trotz der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung zu angemessenen Bedingungen erfolgen.[11] Es ist also ein Unterschied zu machen zwischen der Verursachung der Leistungsbeziehung durch das Gesellschaftsverhältnis (das Gesellschaftsverhältnis als conditio sine qua non) und der Verursachung der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung durch das Gesellschaftsverhältnis (das Gesellschaftsverhältnis führt zu einer Verschiebung der Grenzlinie zwischen Einkommenserzielung und Einkommensverwendung).

[1] Frotscher, GmbHR 1998, 23; Oppenländer, Verdeckte Gewinnausschüttung, 2004, 28ff.
[2] Rz. 99.
[10] Wassermeyer, DB 1994, 1105, 1106; Frotscher, in Widmann, Besteuerung der GmbH und ihrer Gesellschafter, DStJG 20, 205, 231.

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