Rz. 74

Die Vermögensminderung oder verhinderte Vermögensmehrung muss auf einer der Körperschaft zurechenbaren Handlung beruhen. Da das steuerliche Institut der verdeckten Gewinnausschüttung andere Zwecke verfolgt als das Zivilrecht,[1] ist auch der im Rahmen des Tatbestands der verdeckten Gewinnausschüttung verwendete Begriff der "Zurechnung" der Handlung ein steuerrechtlicher Begriff. Es kommt daher nicht darauf an, ob die Körperschaft durch die Handlung zivilrechtlich berechtigt oder verpflichtet wird, sondern darauf, ob die Handlung, die zu der Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung führt, nach steuerrechtlicher Wertung dem Verantwortungsbereich der Körperschaft zugerechnet werden kann. Der Körperschaft sind die Einkünfte zuzurechnen, wenn die Tatbestandsverwirklichung auf ihre Rechnung und Gefahr erfolgt. Ist dies der Fall, ändert sich an der Zurechnung der Einkünfte auch dadurch nichts, dass die Handlung, die zu der Tatbestandsverwirklichung führt, nicht dem satzungsgemäßen Unternehmenszweck entspricht, etwa eine nicht von dem Unternehmenszweck gedeckte Spekulation ist, einen Straftatbestand erfüllt oder gesetz- und sittenwidrig ist. Eine hiervon abweichende Zurechnung würde gegen das Trennungsprinzip und den Grundsatz der Selbständigkeit der Körperschaft verstoßen. Anders wäre es nur, wenn der Tatbestand des Scheingeschäfts, § 41 AO, oder des Rechtsmissbrauchs, § 42 AO, vorliegt.[2]

 

Rz. 74a

Der Begriff der "Zurechnung" der Handlung ist zu unterscheiden von der "gesellschaftsrechtlichen Veranlassung" der Handlung.[3] Nicht jede Handlung, die der Körperschaft zugerechnet wird und zu einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung führt, ist gesellschaftsrechtlich veranlasst. Andererseits kann eine Handlung gesellschaftsrechtlich veranlasst sein und zu einer Vermögensminderung oder verhinderten Vermögensmehrung bei der Körperschaft führen; ist diese Handlung der Körperschaft aber nicht zuzurechnen, kann keine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegen.

 

Rz. 75

Als Handlungen in Betracht kommen sowohl Rechtshandlungen (Willenserklärungen, Vertragsschlüsse) als auch tatsächliche Handlungen, die zivilrechtlich zu keinen Rechtswirkungen führen. Beispiele für tatsächliche Handlungen liefert etwa ein Geschäftsführer, der Geld aus der Kasse entnimmt, einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begeht.[4] Die Handlung kann in einem Tun, Dulden oder Unterlassen bestehen.[5] Zu berücksichtigen sind auch der Körperschaft zurechenbare Handlungen, die einen Schluss darauf zulassen, ob das Geschäft mit dem Gesellschafter ernsthaft vereinbart wurde und tatsächlich durchgeführt worden ist.

 

Rz. 75a

Handlungen i. d. S. sind auch Buchungen und Bilanzierungsmaßnahmen. Allgemein kommt der Buchführung jedoch keine konstituierende Bedeutung zu. Die einzelnen Buchungen beruhen regelmäßig nicht auf Entscheidungen der Geschäftsleitung. Maßgebend ist insofern erst die Darstellung in der Bilanz, für deren Inhalt die Geschäftsleitung durch die Unterschrift die Verantwortung übernimmt. Buchungsfehler können daher bei den Abschlussarbeiten mit steuerlicher Wirkung richtig gestellt werden.[6] Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Buchung auf der ausdrücklichen Anweisung der Geschäftsleitung beruht. Dann besteht die Vermutung, dass die Buchung den von der Geschäftsleitung gewollten Gehalt des Geschäfts widerspiegelt.

Verpflichtungen aus dem Geschäft sind als Verbindlichkeiten oder Rückstellungen zu bilanzieren. Erfolgt keine Bilanzierung, ist dies ein Indiz dafür, dass die Vereinbarung tatsächlich nicht durchgeführt worden ist.[7]

 

Rz. 76

Der Körperschaft zurechenbar sind immer die Handlungen der Organe der Körperschaft, die durch die Vertretungsmacht im Außenverhältnis gedeckt sind.[8] Für die Frage der Zurechnung der Handlung ist es ohne Bedeutung, ob der Geschäftsführer Gesellschafter ist oder nicht. Auch die Handlungen eines Fremdgeschäftsführers sind der Körperschaft zuzurechnen. Die Gesellschaftereigenschaft spielt nur eine Rolle bei der Frage, ob die Handlung "im Interesse des Gesellschafters" vorgenommen wurde, also bei der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung, nicht jedoch bei der Frage, ob die Handlung der Körperschaft zurechenbar ist. Für die Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung genügt es nicht, dass die Handlung der Kapitalgesellschaft zurechenbar ist. Es muss hinzukommen, dass die Handlung der Kapitalgesellschaft auf gesellschaftsrechtlichen Gründen beruht.

 
Praxis-Beispiel

(1) Ein Fremdgeschäftsführer nimmt eine Handlung vor, die zu einer Vermögensminderung führt und ihn selbst begünstigt. Die Handlung ist der Körperschaft zuzurechnen, weil der vertretungsberechtigte Geschäftsführer gehandelt hat. Es liegt jedoch keine verdeckte Gewinnausschüttung vor, weil es an der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung fehlt.

(2) Ein Fremdgeschäftsführer nimmt eine Handlung im Interesse eines (beherrschenden) Gesellschafters vor, die zu einer Vermögensminderung der Körperschaft führt. Die Handlung ist der Körperschaft z...

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