Rz. 59

Das Einkommen wird nach § 2 Abs. 1 bis 4 EStG, § 8 Abs. 1 KStG aus den Einkünften abgeleitet. Um im Einkommen als steuerbar erfasst zu werden, müssen die Einnahmen und Ausgaben unter eine der Einkunftsarten nach § 2 Abs. 1 EStG subsumiert werden können. Abweichend hiervon hat der BFH[1] entschieden, dass bei Kapitalgesellschaften[2] alle Vermögensänderungen, auch wenn sie außerhalb der 7 Einkunftsarten liegen, steuerlich erfasst werden müssen. Dem ist m. E. nicht zu folgen, da diese Folgerung sich aus dem Gesetzestext nicht ableiten lässt. Der Wortlaut des § 8 Abs. 2 KStG besagt nur, dass alle Einkünfte als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizieren sind, besagt aber nicht, was Einkünfte sind. Die Vorschrift setzt also eine zweistufige Prüfung voraus. Auf der ersten Stufe ist zu prüfen, ob überhaupt Einkünfte vorliegen. Das entscheidet sich nicht nach § 8 Abs. 2 KStG, sondern nach § 2 Abs. 1 EStG. Liegen danach Einkünfte vor, greift § 8 Abs. 2 KStG ein, indem diese Einkünfte für bestimmte KSt-Subjekte umqualifiziert werden. § 8 Abs. 2 KStG enthält also keine Erweiterung des Begriffs der Einkünfte, sondern nur eine Umqualifizierung der nach § 2 Abs. 1 EStG bestehenden Einkünfte. Besonders plastisch wird dies durch den Vergleich von § 8 Abs. 2 KStG und § 2 Abs. 2 S. 1 GewStG: Wo das KStG nur eine inhaltliche Festlegung dahin vornimmt, dass steuerbare Einkünfte bei gewissen Steuersubjekten gewerblich sind, löst sich das Gewerbesteuerrecht durch die stets und im vollen Umfang vorgenommene Qualifikation der gesamten Tätigkeit (aber eben nicht der Einkünfte) der betroffenen Gesellschaften als stehender Gewerbebetriebs von der körperschaftsteuerlich bedeutsamen Vorfrage der Einordnung einer Tätigkeit als generell einkunftsbezogen. Insofern liegt die Rechtsprechung richtig, wenn sie davon ausgeht, dass aus dem – nunmehr entschiedenen – körperschaftsteuerlichen Streit keine Früchte für die gewerbesteuerliche Einordnung gezogen werden können.[3] Die umgekehrte Vorgehensweise aber, nämlich die heutige körperschaftsteuerliche Rechtsprechung vor dem Hintergrund der deutlich zutage tretenden normativen Unterschiede zwischen beiden Regelungskomplexen zu hinterfragen, bleibt aber trotz der Folgenbetrachtungsargumentation, eine entsprechend weitgehende Auslegung von § 8 Abs. 2 KStG sei notwendig, um einen Wertungswiderspruch zwischen der gewerbe- und der körperschaftsteuerlichen Beurteilung zu verhindern[4] zulässig. Die Annahme, dass § 8 Abs. 2 KStG eine bloße Rechtsfolgenverweisung darstellen soll, ist sicherlich nicht vollkommen zweifelsfrei[5]; ein gesetzgeberisches Handeln wäre zu begrüßen.

 

Rz. 60

Da die Aufzählung der Einkunftsarten in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 EStG abschließend ist, können auch bei Körperschaften nur solche Einnahmen und Ausgaben zu steuerpflichtigem Einkommen führen, die sich unter eine der in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 7 EStG aufgeführten Einkunftsarten einordnen lassen. Diese bilden die steuerbaren Einkünfte. Zuflüsse, Abflüsse, Vermögensmehrungen und -minderungen, die sich nicht unter diese Einkunftsarten subsumieren lassen, sind auch bei Körperschaften nichtsteuerbare Einkünfte, unabhängig davon, dass sie in der Steuerbilanz zu erfassen sind, und müssten bei der Einkommensermittlung ausgeschieden werden.

 

Rz. 61

Die Frage, ob Vermögensmehrungen von Kapitalgesellschaften außerhalb der Einkunftsarten liegen können, und damit steuerlich nicht erfasst werden, hat entgegen der obigen Ansicht des BFH nichts mit der Frage einer außerbetrieblichen Sphäre der Kapitalgesellschaft und dem Grundsatz der Maßgeblichkeit zu tun. Da die Kapitalgesellschaft keine außerbetriebliche, private Sphäre hat, sind alle Vermögensgegenstände, und demgemäß auch alle Vermögensänderungen, in der Handelsbilanz der Kapitalgesellschaft, und wegen des Grundsatzes der Maßgeblichkeit auch in der Steuerbilanz, zu erfassen. Davon ist aber die Frage zu unterscheiden, ob alle in der Bilanz erfassten Vermögensänderungen auch Einkünfte i. S. d. § 2 EStG sind. Diese Frage ist nur nach steuerlichen Kriterien, d. h. nach § 2 EStG, zu entscheiden. Vermögensänderungen, die keinen der Tatbestände des § 2 EStG erfüllen, können daher auch keine Einkünfte der Kapitalgesellschaft sein.[6] Zwar ist grundsätzlich alles Vermögen der Kapitalgesellschaft in der Bilanz zu erfassen, da sie keine Privatsphäre hat. Dies besagt aber noch nicht, dass auch alle positiven und negativen Vermögensänderungen als Einkünfte steuerlich zu erfassen sind.[7] Es gibt zwar keine Einkünfte in der Privatsphäre einer Körperschaft, es gibt aber sehr wohl Vermögenszu- und -abflüsse bei der Körperschaft, die nicht zu den steuerbaren und steuerpflichtigen Einkünften gehören.

 

Rz. 62

Allerdings ist die praktische Bedeutung dieses Meinungsstreits sehr gering, da die Rspr. dazu tendiert, bei Gewerbebetrieben alle Vermögensänderungen als Einkünfte anzusehen, also unter § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zu fassen. Dafür genügt es, dass Vermögensmehrungen einen sachlichen Bezug zu d...

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