Rz. 4

Regelungsgrund des § 32a KStG waren verfahrensrechtliche Probleme bei der Korrektur von verdeckten Gewinnausschüttungen. Werden verdeckte Gewinnausschüttungen und verdeckte Einlagen steuerlich auf der Ebene der Kapitalgesellschaft unabhängig von der Ebene des Gesellschafters beurteilt, können sich Probleme aus materiell einander widersprechenden Entscheidungen ergeben, wobei eine Korrektur mangels entsprechender Änderungsvorschriften bis dahin möglich war.[1]

 
Praxis-Beispiel

Eine GmbH zahlt ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer ein Gehalt, das um 100 überhöht ist. Die GmbH hat das gesamte Gehalt der LSt unterworfen. Bei der GmbH findet eine Außenprüfung statt, bei der der Betrag von 100 als verdeckte Gewinnausschüttung eingeordnet und besteuert wird. Ist die Steuerfestsetzung des Gesellschafter-Geschäftsführers bestandskräftig oder die Festsetzungsfrist abgelaufen, können die Folgerungen aus der Abgeltungsteuer oder dem Teileinkünfteverfahren bei ihm nicht mehr gezogen werden. Es tritt dann eine dem Gesetz widersprechende Doppelbesteuerung ein.

 

Rz. 5

Die Feststellung der verdeckten Gewinnausschüttung auf der Ebene der Gesellschaft ist kein Ereignis mit Rückwirkung nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO, die infolgedessen geänderte Steuerfestsetzung bei der Gesellschaft stellt auch keinen Grundlagenbescheid für die Steuerfestsetzung gegen den Gesellschafter nach § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 AO dar. Auch eine widerstreitende Steuerfestsetzung nach § 174 AO liegt nicht vor.[2] Die Steuerfestsetzung bei dem Gesellschafter kann nur nach § 173 AO geändert werden. Neue Tatsachen auf der Ebene der Kapitalgesellschaft, die zur Annahme der verdeckten Gewinnausschüttung geführt haben, können auch neue Tatsachen auf der Ebene des Gesellschafters sein.[3] Die bloße Tatsache, dass die Finanzbehörde eine verdeckte Gewinnausschüttung bei der Kapitalgesellschaft festgestellt hat, ist jedoch keine "neue Tatsache" i. S. d. § 173 AO, da sie im fraglichen Besteuerungszeitraum noch nicht vorgelegen hat. Selbst wenn eine neue Tatsache vorliegt, kann die Steuerfestsetzung des Gesellschafters nur geändert werden, wenn ihn kein grobes Verschulden trifft[4], da die Änderung infolge der Inanspruchnahme der Abgeltungsteuer oder des Teileinkünfteverfahrens für ihn regelmäßig günstig ist.

 

Rz. 6

Es kann auch der Fall eintreten, dass die Steuerfestsetzung bei der Kapitalgesellschaft unter Vorbehalt der Nachprüfung erfolgt ist, bei dem Gesellschafter aber nicht. Dann können bei der Kapitalgesellschaft auch Rechtsfehler korrigiert werden, bei dem Gesellschafter dagegen nicht.

 

Rz. 7

Weiterhin besteht keine Änderungsmöglichkeit, wenn die Festsetzungsfrist für den Gesellschafter wegen der langen Dauer des Verfahrens bei der Kapitalgesellschaft abgelaufen ist. Eine Außenprüfung bei der Kapitalgesellschaft hemmt die Festsetzungsfrist bei dem Gesellschafter nicht.[5]

 

Rz. 8

Während die unabhängige Beurteilung der Ebene der Körperschaft von der des Gesellschafters regelmäßig zu Problemen zulasten des Stpfl. führt, ist dies bei der verdeckten Einlage umgekehrt; hier führen unterschiedliche Beurteilungen regelmäßig zu ungewollten Steuerfreistellungen.

 
Praxis-Beispiel

Ein Gesellschafter mietet von der GmbH Büroräume zu einem überhöhten Mietzins. Die Steuerfestsetzung gegen den Gesellschafter ist nicht mehr änderbar.

Der Gesellschafter hat die Mietaufwendungen in voller Höhe als Betriebsausgaben abgesetzt, sein Einkommen also entsprechend gemindert. Bei der Besteuerung der GmbH kann aber geltend gemacht werden, dass es sich bei dem überhöhten Teil des Mietzinses um eine verdeckte Einlage handelt, die das Einkommen nicht erhöhen darf. Folge ist, dass der überhöhte Teil des Mietzinses letztlich unbesteuert bleibt.

 

Rz. 9

Die Lösung, die das Gesetz für die beiden Problembereiche gefunden hat, besteht in einer materiellen und einer formellen "Verknüpfung" der Ebene der Gesellschaft mit der des Gesellschafters. Die materielle Verknüpfung besteht in dem materiellen Korrespondenzprinzip nach § 8 Abs. 3 S. 4 KStG für die verdeckte Einlage und nach § 3 Nr. 40 Buchst. d S. 2-4 EStG, § 8b Abs. 1 S. 2–4 KStG für die verdeckte Gewinnausschüttung. Die formelle Verknüpfung wird durch das formelle Korrespondenzprinzip in § 32a KStG hergestellt. Wirkung des materiellen Korrespondenzprinzips bei der verdeckten Gewinnausschüttung ist, dass die Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bei natürlichen Personen bzw. die Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 bei einer Körperschaft als Gesellschafter nicht eingreifen, obwohl die verdeckte Gewinnausschüttung zur unrichtigen Besteuerung bei der auskehrenden Gesellschaft, nicht bei dem Gesellschafter geführt hat. Entsprechendes gilt für die Wirkung des materiellen Korrespondenzprinzips bei der verdeckten Einlage. Daher hat die formelle Verknüpfung nach § 32a KStG Vorrang vor dem materiellen Korrespondenzprinzip, weil nur sie es ermöglicht, das materiell richtige Ergebnis herzustellen. Das materielle Korrespondenzprinzip nach § 8 Abs. 3 S. 4, § 8b Abs. 1...

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