Rz. 52

Für Inbound-Investitionen von EU- und EWR-Gesellschaften, die Dividenden aus Portfolio-Anteilen (d. h. eine Beteiligung von unter 10 %) bis zum 1.3.2013 erhalten haben, ist eine Erstattung von einbehaltener KESt grundsätzlich nur unter Geltung der Voraussetzungen des § 32 Abs. 5 KStG möglich. Der EuGH hat indessen entschieden, dass die Regelung mit EU-Recht, namentlich der Kapitalverkehrsfreiheit gem. Art. 63 AEUV, unvereinbar und daher nicht anzuwenden ist.[1]

Die Erweiterung der Erstattungspflicht dürfte allerdings überschaubar ausfallen, da eine Erstattung der KapESt nur dann geboten ist, wenn der Ansässigkeitsstaat des Dividendenempfängers die Dividenden von der Besteuerung freistellt.[2] Eine weitere mögliche Fallgruppe als Anteilseigner sind EWR-Gesellschaften mit Beteiligungen ab 10 %. Für diese Gesellschaften gilt die Mutter-Tochter-Richtlinie und daher § 43b EStG nicht. Diesen Gesellschaften wird daher die KapESt nicht erstattet. Sie können aber nach dem EWR-Vertrag die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit in Anspruch nehmen. Allerdings bestehen inzwischen DBA mit allen EWR-Staaten, die das internationale Schachtelprivileg enthalten, das nach § 50d Abs. 2 EStG unilateral ab einer Beteiligungsquote von 10 % eingreift. Soweit die KapESt bei Eingreifen des internationalen Schachtelprivilegs 0 % beträgt, erleiden Gesellschaften aus EWR-Staaten keinen Nachteil. Das betrifft Gesellschaften aus Norwegen und Liechtenstein. Bei in Island ansässigen Gesellschaften fällt dagegen auch bei Eingreifen des internationalen Schachtelprivilegs eine KapESt von 5 % an, sodass insoweit weiterhin ein Verstoß gegen den EWR-Vertrag vorliegt. Dieser Diskriminierung ist mittels geltungserhaltender Reduktion der Norm Abhilfe zu schaffen, sodass es zu einem Einbezug auch von solchen Gesellschaften in den Anwendungsbereich der Norm kommt.[3]

 

Rz. 53

Für Gesellschaften aus Drittstaaten gilt die Erstattungsregelung des § 32 Abs. 5 KStG generell nicht. Da der EuGH[4] seine Entscheidung auf einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nach Art. 63 AEUV gestützt hat, haben aber grundsätzlich indes auch Gesellschaften aus Drittstaaten Anspruch auf Erstattung der KapESt für die Zeit vor Inkrafttreten des § 8b Abs. 4 KStG, also für Zuflüsse bis zum 28.2.2013. KapESt auf derartige Zuflüsse ist in Drittstaaten ansässigen Körperschaften daher unabhängig von der Höhe ihrer Beteiligung zu erstatten. Auswirkungen hat dies allerdings nur, soweit kein DBA besteht, wenn wegen der Höhe der Beteiligung das internationale Schachtelprivileg nicht eingreift oder wenn die KapESt auch bei Eingreifen des internationalen Schachtelprivilegs nicht 0 % beträgt. Auch in derartigen Fällen ist den Drittstaatengesellschaften allerdings aufgrund einer geltungserhaltenden Reduktion der Regelung eine entsprechende Erstattung zu gewähren.[5]

 

Rz. 54

Für die Zeit ab Inkrafttreten des § 8b Abs. 4 KStG, also für Zuflüsse nach dem 28.2.2013, sollen nach Auffassung des Gesetzgebers für diese Körperschaften bei Beteiligungen von weniger als 10 % diesbezüglich kein Nachteil gegenüber inl. Körperschaften bestehen. Das FG Köln sieht in den Nachweispflichten des § 32 Abs. 5 S. 3-5 KStG allerdings eine europarechtlich unzulässige Diskriminierung von Gesellschaften, welche in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterfallen, ihren Sitz und Ort der Geschäftsleitung ansonsten aber in einem ausländischen Staat haben und hat dem EuGH daher die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob ein solcher Nachweis überhaupt gefordert werden kann.[6]

Beachtlich ist hierbei zum einen, dass das FG Köln mit m. E. sehr überzeugenden Argumenten die Auffassung vertritt, dass die Kapitalverkehrsfreiheit berührt ist und die Regelung mithin auch von Gesellschaften mit Sitz und/oder Ort der Geschäftsleitung in einem Drittstaat in Anspruch genommen werden kann.[7]

Zum anderen sieht das FG Köln den Grundsatz des "effet utile", der sog. nützlichen Wirksamkeit[8] als nicht gewahrt an. Demnach ist die Anwendung des Europäischen Rechts dergestalt sicherzustellen, dass das Ziel der betreffenden Regelung erreicht und diesem zum Durchbruch verholfen wird[9]

Die geforderte Bescheinigung der ausl. Steuerbehörde soll zum Gegenstand haben, dass die in Deutschland erhobene Quellensteuer weder beim Empfänger der Dividende noch den (mittelbaren) Anteilseignern angerechnet werden kann. Aus Sicht des Gerichts ist die Erteilung einer derartigen Bescheinigung unmöglich, insbesondere sofern die Empfängerin der Dividende eine börsennotierte Gesellschaft ist, deren Anteile von diversen natürlichen und juristischen Personen gehalten werden, die z. T. nicht feststellbar und ggf. auch nicht in demselben Staat wie die beantragende Gesellschaft ansässig sind. Da eine inländische Gesellschaft einen solchen Nachweis nicht zu erbringen hat und dieser praktisch nicht möglich ist, würde hierdurch die Geltung des EU-Rechts zur Gleichbehandlung unterlaufen. Folglich sei die Regelung in dieser Form nicht anzuwenden. D...

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