Rz. 93

Mit Abschluss des formgültigen Gesellschaftsvertrags, der notariellen Beurkundung der Satzung, des Statuts u. Ä. endet die Vorgründungsgesellschaft.[1] Es entsteht eine sog. Vorgesellschaft, eine Vorgenossenschaft bzw. ein Vorverein (in den weiteren Erläuterungen Vorgesellschaft genannt). Die Vorgesellschaft endet in dem Zeitpunkt, in dem die Rechtsfähigkeit erlangt wird, d. h. die juristische Person entsteht. Bis zu diesem Zeitpunkt bezeichnet sich das Gebilde mit dem Zusatz "i. Gr." (z. B. GmbH i. Gr.). Die Vorgesellschaft weist bereits in ihrer inneren Struktur viele Merkmale der späteren juristischen Person auf. Sie ist wie die anschließende juristische Person organisiert, und ihre gesetzlich erforderlichen Organe sind bereits bestellt. Die Vorgesellschaft hat Rechte und Pflichten, deren künftiger Träger die juristische Person ist.

 

Rz. 94

Eine gesetzliche Regelung der Vorgesellschaft besteht nicht. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, durch eine Regelung des Rechts der Vorgesellschaft Klarheit zu schaffen, weil er meinte, es sei zweckmäßiger, die damit zusammenhängenden Streitfragen der Wissenschaft und Rspr. zur Klärung zu überlassen. Die Vorgesellschaft wird von der zivilrechtlichen Rechtsprechung[2] als Rechtsgebilde eigener Art aufgefasst, das eine rechtlich notwendige Vorstufe der "im Werden begriffenen" juristischen Person darstellt. Sie ist kein von der künftigen juristischen Person zu trennendes selbstständiges Gebilde, sondern geht mit Entstehung der juristischen Person in diese über. Zwischen der Vorgesellschaft und der später entstehenden juristischen Person besteht also Identität, sodass insoweit keine Vermögensübertragung von der Vorgesellschaft auf die juristische Person erforderlich ist. Die Vorgesellschaft unterliegt mit ihrer Errichtung neben den im Gründungsakt niedergelegten Vorschriften dem Recht der sich anschließenden juristischen Person mit Ausnahme der Vorschriften, die die Rechtsfähigkeit voraussetzen oder die durch spezielle Gründungsvorschriften ersetzt worden sind. Eine andere Einordnung würde dem Willen der Gründer nicht gerecht werden, die sich einander verpflichtet hätten, alle Maßnahmen zu treffen, dass das Gebilde rechtsfähig wird. Die Vorgesellschaft ist daher nicht einer OHG oder GbR gleichzustellen.

 

Rz. 94a

Die Beteiligung an der Vorgesellschaft entsteht zivilrechtlich durch die Teilnahme am Gründungsgeschäft. Diese Beteiligung setzt sich mit Entstehen der juristischen Person fort. Vor Eintragung der Vorgesellschaft in das Handelsregister bestehen an der Vorgesellschaft noch keine übertragbaren Anteile. Eine "Übertragung" der Beteiligung an der Vorgesellschaft ist nur durch eine Änderung der Satzung möglich, durch die der hinzutretende Gesellschafter als weiterer Gründer aufgenommen wird. Ein aus der Vorgesellschaft ausscheidender Gesellschafter muss durch Änderung der Satzung als Gründer gestrichen werden.[3] Eine rechtsgeschäftliche Übertragung der Beteiligung im eigentlichen Sinne ist daher erst nach Entstehen dieser Beteiligung durch Eintragung der Körperschaft in das Handels- oder sonstige Register möglich. Vor diesem Zeitpunkt ist eine Übertragung der künftig entstehenden Anteile bei der AG nach § 41 Abs. 4 S. 1 AktG nicht möglich. Bei der GmbH ist dagegen mangels einer entgegenstehenden Vorschrift die Übertragung der künftigen Anteile unter der aufschiebenden Bedingung der späteren Eintragung der Vorgesellschaft in das Handelsregister möglich.[4] Eine solche aufschiebend bedingte Übertragung der künftig entstehenden GmbH-Anteile führt zu wirtschaftlichem Eigentum der Erwerber an der Beteiligung an der Vorgesellschaft, wenn die Übertragung keiner weiteren Bedingung unterliegt, der Kaufpreis endgültig vereinbart ist, ein Gewinnbezugsrecht für etwaige Gewinne der Vorgesellschaft besteht und der Veräußerer etwaige Stimmrechte aus den übertragenen Beteiligungen an der Vorgesellschaft im Interesse der Erwerber ausüben muss. In diesem Fall sind ab diesem Zeitpunkt Gefahr, Nutzen und Lasten, insbesondere die Gefahr einer Wertminderung bzw. die Chancen einer Werterhöhung auf die Erwerber übergegangen.[5]

 

Rz. 95

Das Steuerrecht hat sich der zivilrechtlichen Sichtweise angeschlossen. Danach stellt die Vorgesellschaft ein auf die künftige juristische Person hin angelegtes Rechtsgebilde dar, das körperschaftlich strukturiert ist und mit der Eintragung in das Handelsregister in der dann entstehenden juristischen Person aufgeht.[6] Steuerlich ist zu unterscheiden zwischen Vorgesellschaften, bei denen die Eintragung in das Handelsregister unterbleibt (unechte Vorgesellschaft), und solchen, bei denen die Eintragung in das Handelsregister erfolgt (echte Vorgesellschaft). Teilweise werden die Begriffe der "unechten und echten" Vorgesellschaft anders verwandt.[7] Danach handelt es sich in beiden Fällen um Gesellschaften, bei denen endgültig die Eintragung in das Handelsregister unterbleibt; eine "unechte Vorgesellschaft" ist dann eine Vorgesellschaft, bei der eine Gründung von ...

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