Rz. 68

Der Vorteil der gewerbesteuerlichen Organschaft besteht ebenso wie bei der körperschaftsteuerlichen Organschaft im Wesentlichen im Verlustausgleich. Negative Gewerbeerträge können mit positiven Besteuerungsgrundlagen im Organkreis verrechnet werden.[1]

 

Rz. 69

Als Rechtsfolge der gewerbesteuerlichen Organschaft bestimmt § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG, dass die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers gilt.[2] Genauer müsste es heißen, dass die Betriebsstätten der Organgesellschaft als Betriebsstätten des Organträgers gelten. Diese Vorschrift regelt, dass die Organgesellschaft nicht selbst Subjekt der GewSt ist, sondern nur wie eine Betriebsstätte in Form der Besteuerung des Organträgers der GewSt unterworfen ist.

Die Tragweite dieser gesetzlichen Regelung ist ungeklärt. Dem Wortlaut nach bedeutet die Fiktion, dass die Organgesellschaft als Betriebsstätte des Organträgers gilt, dass die Organgesellschaft gewerbesteuerlich wie eine Filiale zu behandeln ist, Organträger und Organgesellschaft also gemeinsam das einheitliche gewerbliche Unternehmen darstellen (Filial- oder Einheitstheorie). Die Rechtsprechung des BFH hat die daraus fließenden Folgerungen aber nicht gezogen; die Einheitstheorie würde nämlich die gewerbesteuerliche Organschaft den Wirkungen der umsatzsteuerlichen Organschaft gleichstellen und insbesondere dazu führen, dass gewinnrealisierende Vorgänge zwischen Organträger und Organgesellschaft nicht möglich wären. Der BFH hat zwar nicht verkannt, dass der Wortlaut des § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG auf diese Lösung hindeutet, hat hier aber einen Konflikt mit § 7 GewStG gesehen. Die Einheitstheorie würde in der Tat, mit der notwendig mit ihr verbundenen Ausschaltung zwischenorganschaftlicher Gewinnrealisierungen, zu einer ständigen Abweichung von der körperschaftsteuerlichen Einkommensermittlung führen.

Der BFH hat gegenüber der Einheitstheorie immer betont, dass es Zweck der gewerbesteuerlichen Organschaft sei, einerseits die Doppelbelastung des Gewerbeertrags (und -kapitals) zu vermeiden, andererseits die Gemeinden davor zu schützen, dass verbundene Unternehmen durch interne Maßnahmen ihren Gewinn willkürlich verlagern. Die Verhinderung einer solchen Verlagerung bei einer Organschaft ist nur möglich, wenn die Gewinnzuteilung entsprechend den allgemeinen Regeln erfolgt. Diese erfolgt nach den Betriebsstätten in der jeweiligen Gemeinde. Die Verteilung des Gesamteinkommens des Organkreises hat im Ergebnis so zu erfolgen, als wäre jede Gesellschaft des Organkreises getrennt zu betrachten. Dies ist nur möglich, wenn die Organgesellschaften wie eine Betriebsstätte des Organträgers behandelt werden. Jede Gemeinde erhält über die Betriebsstättenfiktion einen angemessenen Anteil am GewSt-Aufkommen des Organkreises.[3] Demgemäß hat der BFH die uneingeschränkte Einheitstheorie abgelehnt und stattdessen § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG in Richtung auf eine stärkere Annäherung an die körperschaftsteuerliche Organschaft interpretiert.

Grundlagen für diese Interpretation gegen den Gesetzeswortlaut ist § 7 GewStG, wonach der Gewerbeertrag der nach den Vorschriften des KStG ermittelte Gewinn (Einkommen) ist, und die Tatsache, dass die Organgesellschaft handelsrechtlich durch die Organschaft ihre Selbstständigkeit nicht verliert, sondern eine rechtlich selbstständige, selbst bilanzierende juristische Person bleibt. Organgesellschaft und Organträger sind danach auch gewerbesteuerlich nicht als Einheit aufzufassen.[4] Die Organschaft ändert nur die Rechtsfolgen der GewSt-Pflicht, nicht ihre Grundlagen (Rechtsfähigkeit, Gewinn- und Ertragsermittlung); lediglich die Eigenschaft als GewSt-Subjekt geht von der Organgesellschaft auf den Organträger über.[5] Kritisch zur Auffassung des BFH ist anzumerken, dass sie für die weitreichenden Konsequenzen, die aus ihr abzuleiten sind und die im Folgenden dargestellt werden, keine gesetzliche Grundlage bietet. Insbesondere das Argument, die Organgesellschaft sei trotz Organschaft ein zivilrechtlich selbstständiges Unternehmen, kann nicht darüber hinweghelfen, dass die Organgesellschaft nach dem Wortlaut des GewStG und nach der Rechtsprechung des BFH kein GewSt-Subjekt ist.

Auch das Argument des BFH, die gewerbesteuerliche Organschaft wolle in erster Linie eine angemessene Beteiligung jeder betroffenen Gemeinde am GewSt-Aufkommen des Organkreises sicherstellen, rechtfertigt letztlich nicht das Abweichen vom Wortlaut des Gesetzes. Die Einschränkung der Bedeutung der Organschaft auf die Beteiligung der Gemeinde an der Zerlegung wird der zentralen Stelle, an der die Organschaft in § 2 Abs. 2 GewStG geregelt ist, nicht gerecht. Wäre die Interpretation des BFH richtig, müsste die Organschaft nicht in § 2 GewStG geregelt sein, der die Grundlagen der GewSt enthält, sondern in § 4 GewStG oder, noch richtiger, in den §§ 11, 28ff. GewStG. Die Regelung in der grundlegenden Vorschrift des § 2 GewStG, die den Steuergegenstand behandelt, deutet darauf hin, dass der Gesetzgeber wirklich das gemeint hat, was er...

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