Das Freistellungsverfahren ist vorgesehen, wenn der Satz der Abzugsteuer aufgrund der §§ 43b, 50g EStG oder eines DBA niedriger ist als derjenige nach § 43a EStG (Kapitalerträge, regelmäßig 25 %) oder nach § 50a Abs. 1 EStG (künstlerische, sportliche und ähnliche Darbietungen, Lizenzen; 15 %) bzw. wenn er 0 % beträgt. Grundlage für den Einbehalt der Abzugsteuer mit einem niedrigeren Satz oder für das Absehen vom Steuerabzug ist eine Freistellungsbescheinigung des BZSt.[1] Der Gläubiger der Kapitalerträge bzw. Vergütungen (d. h. die beschränkt stpfl. Körperschaft) muss einen Freistellungsantrag stellen. Beigefügt werden muss nach § 50c Abs. 5 S. 2 EStG die Bestätigung der zuständigen Steuerbehörde des Empfängers der Ausschüttung oder Vergütung, dass er in diesem Staat ansässig ist oder eine Betriebsstätte unterhält. Die Freistellungsbescheinigung ist nur gültig, wenn die Voraussetzungen ihrer Erteilung eingehalten werden. Außerdem kann sie unter Auflagen, Bedingungen oder dem Vorbehalt des Widerrufs erteilt werden. In der Freistellungsbescheinigung muss angegeben werden, ab welchem Tag sie gilt; sie gilt frühestens ab dem Tag, an dem der Antrag beim BZSt eingegangen ist. Die Geltungsdauer der Freistellungsbescheinigung beträgt maximal 3 Jahre.

Eine Freistellung von der Kapitalertragsteuer nach § 50c Abs. 2 S. 5 EStG wird nur erteilt, wenn der Gläubiger der Kapitalerträge eine Kapitalgesellschaft ist, die in ihrem Ansässigkeitsstaat nicht von der Steuer befreit ist, und zu mindestens 10 % an der auskehrenden Kapitalgesellschaft beteiligt ist. Für Portfoliobeteiligungen unter 10 % und für Beteiligungen von natürlichen Personen kann danach keine Freistellungsbescheinigung erteilt werden. Dies gilt unmittelbar nur für die Ermäßigung der KESt nach DBA. Beruht der Ermäßigungsanspruch auf der Mutter-Tochter-Richtlinie, gilt nach § 43b Abs. 2 i. V. m. Anlage 2 Nr. 3 EStG ebenfalls die Voraussetzung, dass die Muttergesellschaft nicht von der Steuer befreit sein darf. Wird die Voraussetzung der Mindesthaltedauer nach § 43b Abs. 2 S. 4 EStG erst nach der Ausschüttung erfüllt, ist nach § 43b Abs. 2 S. 5 EStG das Freistellungsverfahren ausgeschlossen. Es kann nur das Erstattungsverfahren durchgeführt werden.

Das BZSt entscheidet über den Freistellungsantrag innerhalb einer Frist von 3 Monaten. Die Frist beginnt mit der vollständigen Vorlage aller für die Entscheidung erforderlichen Nachweise. Da zur Prüfung, ob § 50d Abs. 3 EStG die Freistellung ausschließt, umfangreiche Nachweise erforderlich sind, kann der Beginn der Bearbeitungsfrist von 3 Monaten erheblich hinausgeschoben werden. Der Gläubiger (Antragsteller) ist auch nach Erteilung der Freistellungsbescheinigung verpflichtet, entscheidungserhebliche Änderungen in den tatsächlichen Verhältnissen dem BZSt unverzüglich (d. h. ohne schuldhaftes Zögern) mitzuteilen.

Der Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen darf den Steuerabzug nur unterlassen oder nach einem niedrigeren Steuersatz vornehmen, wenn ihm die Freistellungsbescheinigung vorliegt. Zahlt er die Kapitalerträge oder Vergütungen vorher aus, kann er in Haftung genommen werden, auch wenn später die Freistellungsbescheinigung vorgelegt wird. Die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung wirkt also nicht zurück. Eine bereits abgegebene Steueranmeldung kann nach § 50c Abs. 2 S. 3 EStG nicht mehr geändert werden, wenn eine Freistellungsbescheinigung vorliegt oder später erteilt wird.

Der Freistellungsantrag ist nach § 50c Abs. 5 S. 1 EStG nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz über die amtliche Schnittstelle zu übermitteln. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann der Antrag bei Vorliegen besonderer Umstände auch in Papierform nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck gestellt werden. Regelmäßig erfolgt die Bekanntgabe der Freistellungsbescheinigung im Wege des Datenabrufs über die amtlich bestimmte Schnittstelle. Für die Wirkung dieser Bekanntgabe gilt § 122a Abs. 4 AO. War der Antrag zulässigerweise in Papierform gestellt worden, erfolgt die Bekanntgabe durch die Post.

Eine Freistellung von der Quellensteuer für beschränkt Stpfl. erfolgt nur, wenn diese nicht durch § 50d Abs. 3 EStG ausgeschlossen ist ("Treaty Shopping").

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