Leitsatz

Es ist nicht zulässig, die gesetzgeberische Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG, wonach bestimmte Steuern und die hierauf entfallenden Nebenleistungen dem steuerbaren Bereich entzogen sind, für Erstattungszinsen zur ESt dahingehend einzuschränken, dass diese steuerbar bleiben bzw. wieder steuerbar werden, solange entsprechende Steuern und Nebenleistungen als Sonderausgaben nach § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG abzugsfähig waren bzw. es wieder werden.

 

Sachverhalt

Der Kläger beantragt in seiner Einkommensteuererklärung 1996 die Steuerfreiheit von Erstattungszinsen auf Einkommensteuern i.H.v. 658.868 DM und gleichzeitig den Abzug von Nachforderungszinsen i.H.v. 208.195 DM als Sonderausgabe. Zur Begründung beruft er sich auf das Urteil des BFH v. 15.6.2010, VIII R 33/07, BStBl 2011 II S. 503, wonach Zinsen nicht der Einkommensteuer unterliegen, soweit die zugrunde liegende Steuer nach § 12 Nr. 3 EStG (hier die ESt) nicht abgezogen werden dürfe. Die Zinsen unterlägen nicht § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. Insbesondere sei die in § 52a Abs. 8 EStG n.F. begründete echte Rückwirkung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 n.F. unzulässig. Das beklagte Finanzamt ist dagegen der Auffassung, § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG sei gem. § 52a Abs. 8 EStG n.F. in allen offenen Fällen rückwirkend anzuwenden. Das obige BFH-Urteil sei nicht einschlägig, da es in 1996 noch ein symmetrisches Normengefüge gegeben hat. Der Steuerpflicht von Erstattungszinsen habe die Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen als Sonderausgaben entsprochen. Diese sei erst durch die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG a.F. mit Wirkung ab 1999 entfallen, so dass die Erstattungszinsen im Jahr 1996 steuerpflichtig sein müssen.

 

Entscheidung

Die zulässige Klage ist begründet. § 12 Nr. 3 EStG entzieht die Erstattungszinsen dem steuerbaren Bereich auch im Streitjahr 1996. Gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. sind auch die Erstattungszinsen i.S.d. § 233a AO steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen. Erstattungszinsen zur Einkommensteuer werden aber nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung in § 12 Nr. 3 EStG dem nichtsteuerbaren Bereich zugewiesen. Auf die Frage, ob § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. rückwirkend auf das Streitjahr Anwendung finden kann, kommt es nicht an. Dies wäre nur der Fall, wenn § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. dem § 12 Nr. 3 EStG als Spezialvorschrift vorginge. Diesen Vorrang sieht das Gericht allerdings nicht. Auch aus der Erwägung zur Symmetrie zwischen fehlender Abzugsfähigkeit der Nachzahlungszinsen und Ausschluss der Erstattungszinsen aus dem steuerbaren Bereich kann nicht im Umkehrschluss gefolgert werden, dass Erstattungszinsen steuerbar sind, solange die Nachzahlungszinsen - wie im Streitjahr 1996 - noch als Sonderausgaben abzugsfähig waren.

 

Hinweis

Das Urteil ist zu begrüßen, da es zugunsten der Steuerpflichtigen im Ergebnis dazu führt, dass § 20 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 EStG n.F. keine Wirkung entfalten kann, so dass Erstattungszinsen steuerfrei bleiben. Dass sich durch die Qualifizierung der Erstattungszinsen als nicht steuerbar nach § 12 Nr. 3 EStG bei gleichzeitiger verbleibender Abzugsfähigkeit von Nachzahlungszinsen eine Doppelbegünstigung für Steuerpflichtige ergeben kann, ist für das Gericht ohne Relevanz. Dieses Urteil ist somit insbesondere vorteilhaft für Steuerpflichtige mit noch offenen Fällen bis zum Wirtschaftsjahr 1998, da ab 1999 der Sonderausgabenabzug für Nachzahlungszinsen gestrichen wurde und somit ab diesem Zeitpunkt aus Gründen der Normensymmetrie Erstattungszinsen steuerfrei sein "dürften". Revision wurde allerdings zugelassen.

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass sowohl das FG Düsseldorf am 05.09.2011 und das FG Münster am 27.10.2011 ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besteuerung der Erstattungszinsen als Einnahmen aus Kapitalvermögen geäußert haben. Es ist also in sämtlichen Fällen des Empfangs von Erstattungszinsen der Hinweis zu geben, Einspruch gegen die Steuerpflicht einzulegen für den Fall, dass § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG n.F. aufgehoben wird.

 

Link zur Entscheidung

FG Münster, Urteil vom 10.05.2012, 2 K 1950/00 E

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