Rz. 20

Nach der vom BVerfG erzwungenen Korrektur der §§ 13a und 13b ErbStG gerät nunmehr verstärkt die mögliche Verfassungswidrigkeit der Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a–c ErbStG für die Zuwendung eines Familienheims in den Fokus. Der BFH[1] hat in zahlreichen Entscheidungen und in breitem Konsens mit dem Schrifttum[2] die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelungen in Zweifel gezogen. Die Befreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG erfolgt ohne Anrechnung auf den Ehegattenfreibetrag von immerhin 500.000 EUR, kann zeitlich nacheinander auch für mehrere Objekte in Anspruch genommen werden und ist zudem völlig unabhängig vom Wert des zugewendeten Familienheims. Die Regelung führt bei Eheleuten zu einer Begünstigung von Immobilienvermögen, für die ein hinreichender sachlicher Grund fehlt. Die Begünstigung kann insbesondere nicht mit einem Anspruch auf steuerliche Freistellung des Gebrauchsvermögens der Familie gerechtfertigt werden, weil diese Freistellung in typisierender Weise bereits durch die Freibeträge des § 16 ErbStG erfolgt.

Es ist nicht ausgeschlossen, dass dieser Fragenkreis noch an Bedeutung gewinnt. Die Verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des BFH, wonach eine Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG für ein Familienheim bei fehlender Nutzung für eigene Wohnzwecke ausscheide, hat das BVerfG nicht nur Entscheidung angenommen.[3]

 

Rz. 21

Künftig wird sich daher die Frage stellen, ob und auf welchem Wege sich Stpfl., denen keine Steuerbefreiung für die Zuwendung eines Familienheims zusteht, auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG wegen gleichheitswidrigem Begünstigungsausschluss berufen können. Dem Ansatz des BFH-Vorlagebeschlusses, die Verletzung subjektiver Rechte der Stpfl. aus der Verknüpfung des Gleichheitsverstoß aus der "Klammernorm" des § 19 ErbStG abzuleiten, hat das BVerfG eine Absage erteilt. Art. 3 Abs. 1 GG verleiht keinen Anspruch auf die verfassungsrechtliche Kontrolle eines Steuergesetzes im Hinblick auf Regelungen, die das eigene Steuerverhältnis nicht betreffen.[4] Anderes gilt jedoch, wenn die Dritten gewährten Steuervergünstigungen für eine gleichheitsgerechte Belastung durch die betreffende Steuer insgesamt "übergreifende Bedeutung" haben, wenn also die nur einer Gruppe gewährten Vergünstigungen "nach Zahl oder Umfang ein solches Ausmaß erreichen oder nach ihrer strukturellen Bedeutung für die Steuer solches Gewicht haben", dass im Falle der Verfassungswidrigkeit der Privilegierungsnorm die lastengleiche Besteuerung auch der davon nicht Erfassten in Frage gestellt ist.[5] Zwar ist kein Zahlenmaterial zu den Steuerfällen ersichtlich, in denen die Steuerbefreiungen nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a–c ErbStG einschlägig sind. Doch dürfte es sich nach Zahl und Umfang um eine für das ErbStG strukturell bedeutsame Größenordnung handeln.

[2] Z. B. Meincke/Hannes/Holtz, ErbStG, 18. Aufl. 2021, § 13 Rz. 21; T/G/J/G, § 13 ErbStG Rz. 57; Viskorf, in V/K/S/W, ErbStG, 2017, § 13 Rz. 49, 66; Wachter, FR 2015, 193, 212; Meßbacher-Hönsch, ZEV 2015, 382; Georg/Heck/Leinenbach, DStR 2018, 1464.
[3] BVerfG v. 13.2.2016, 1 BvR 2916/15, StED 2016, 167.

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