Rz. 540

§ 7 Abs. 7 ErbStG besteuert die verbleibenden Gesellschafter, wenn ein Mitgesellschafter aus der Gesellschaft ausscheidet und er eine Abfindung unter dem steuerlichen Anteilswert erhält. Die Vorschrift ist durch das ErbStRG 1974[1] mit der Parallelvorschrift in § 3 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG in das ErbStG aufgenommen worden. Satz 2 ist durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 20.3.1999[2] eingefügt worden und zielt auf eine Präzisierung bzw. Sonderregelung zur Einziehung von Geschäftsanteilen ab. Durch das ErbStRG vom 24.12.2008[3] ist ein weiterer Satz 3 angefügt worden, der den Anwendungsbereich des § 7 Abs. 7 ErbStG auf die Fälle des § 10 Abs. 10 ErbStG erweitert. Die praktische Bedeutung der Vorschrift hat sich durch das ErbStRG grundlegend gewandelt, weil sich der steuerliche Wert seit dem 1.1.2009 nach dem gemeinen Wert bestimmt, sodass jede Abfindungsbeschränkung im Zusammenhang mit dem Ausscheiden nunmehr zu einer Steuerpflicht nach § 7 Abs. 7 ErbStG führt. Nach früherer Rechtslage, die die steuerlichen Regelungen für die Betriebsvermögensbewertung den handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen angepasst hatte, ergab sich aus § 7 Abs. 7 ErbStG in Fällen einer Buchwertklausel in den meisten Fällen keine steuerliche Konsequenz.

 

Rz. 541

§ 7 Abs. 7 ErbStG ist ein Sondertatbestand der freigebigen Zuwendung, der sich nach seiner Entstehungsgeschichte gegen die sog. "Wagnisrechtsprechung" des BGH[4] richtet, wonach die Vereinbarung von Abfindungsbeschränkungen, die gleichmäßig für alle Gesellschafter gelten sollen, keine Schenkung darstellt, weil jeder Gesellschafter um der Chance willen, die Anteile des anderen bei dessen Ausscheiden günstig übernehmen zu können, das Wagnis des Verlustes seines eigenen Anteils ohne entsprechende Abfindung eingeht. Der BFH hat sich dieser Sichtweise für das Schenkungsteuerrecht angeschlossen.[5] Mit der doppelten Fiktion des § 7 Abs. 7 S. 1 ErbStG hat der Gesetzgeber auf diese Rspr. reagiert. Danach "gilt" der durch das Ausscheiden bewirkte Anteilsübergang auf die Gesellschaft oder den Mitgesellschafter als Schenkung, "soweit" der steuerliche Wert den im Gesellschaftsvertrag nicht vorgesehenen Abfindungsanspruch übersteigt. Die Reichweite der Fiktion einer Schenkung bzw. freigebigen Zuwendung ist nicht in allen Einzelheiten geklärt. Nach der Rspr. des BFH[6] ist das subjektive Merkmal des Bewusstseins der Unentgeltlichkeit für den Tatbestand des § 7 Abs. 7 ErbStG nicht erforderlich. Der BFH verweist diesbezüglich auf die Entstehungsgeschichte der Norm. Wenn der Normzweck des § 7 Abs. 7 ErbStG aber darin liegt, rechtsprechungsüberholend den Tatbestand der freigebigen Zuwendung nicht allein an dem sog. Wagnisgedanken scheitern zu lassen, sollte man die Vorschrift auch in diesem Sinne auslegen. Durch das ErbStRG vom 24.12.2008[7] haben sich der Anwendungsbereich der Vorschrift und die daraus abzuleitenden Steuerfolgen erheblich verschärft. Deswegen und wegen des Eingriffscharakters des Steuerrechts einschließlich einer Fiktion des Tatbestands ist die Vorschrift streng nach ihrem Wortlaut auszulegen und die Entstehungsgeschichte zwingend zu berücksichtigen. Der objektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung setzt eine Entreicherung und eine Bereicherung voraus. An einer Entreicherung[8] fehlt es z. B. beim sog. Anwachsungsmodell, bei dem eine GmbH & Co. KG auf die Komplementär-GmbH dergestalt umgewandelt wird, dass alle Kommanditisten aus der KG ausscheiden und alle Gesellschaftsbeteiligung bei der GmbH, die das Unternehmen der KG fortführt, anwachsen. Unabhängig von der Frage, ob der Fall überhaupt vom Wortlaut des § 7 Abs. 7 ErbStG erfasst ist, tritt hier keine Entreicherung ein, weil die fehlende Abfindung durch die Wertsteigerung ihrer Anteile an der GmbH kompensiert wird.[9]

 

Rz. 542

Des Weiteren darf die Fiktion der Schenkung nicht auf die generelle Fiktion einer objektiven Bereicherung ausgedehnt werden.[10] An der Bereicherung fehlt es, wenn eine bestimmte Zuwendung infolge einer Gegenleistung objektiv nicht unentgeltlich erfolgt.[11] Nach der Entstehungsgeschichte richtet sich § 7 Abs. 7 ErbStG gegen den (entgeltlichen) Wagnisgedanken, also gegen die Beachtlichkeit des entgeltlichen Charakters eines sog. aleatorischen Geschäftes. Mit der Fiktion des § 7 Abs. 7 ErbStG wollte der Gesetzgeber die gegen den Schenkungscharakter sprechenden Argumente "der Wagnisrechtsprechung" ausschließen.[12] Das spricht dafür, die Reichweite der Fiktion von vornherein darauf zu beschränken. Die Gesetzesverfasser zielten aber nicht darauf ab, i. S. d. § 7 Abs. 7 ErbStG eine entgeltlich erlangte Bereicherung für steuerpflichtig zu erklären, wie schon die Einordnung des Steuertatbestands unter den Schenkungen unter Lebenden deutlich macht. Deshalb fehlt es an einer Bereicherung, wenn der Vorgang nicht objektiv unentgeltlich ist.[13] Wie Gottschalk[14] überzeugend festgestellt hat, beurteilt sich die objektive (Un-)Entgeltlichkeit einer Abfindungsbeschränkung unter Berücksichtigung des Gesamtgeflechts...

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