Rz. 520

§ 7 Abs. 6 ErbStG knüpft an eine Beteiligung an einer Personengesellschaft an. Dabei kann es sich auch um eine Innengesellschaft, z. B. eine stille Gesellschaft, handeln. Die Norm will Schenkungen eines entsprechenden Gesellschaftsanteils mit "überhöhter" Gewinnbeteiligung schenkungsteuerrechtlich erfassen. In erster Linie zielt die Regelung auf Familienpersonengesellschaften ab. Hintergrund ist, dass es für die Bewertung der Beteiligung an einer Personengesellschaft nach früherer Rechtslage ausschließlich auf den Vermögenswert ankam. Der Ertragswert spielte keine Rolle. Es war deshalb möglich, eine verhältnismäßig geringe Gesellschaftsbeteiligung, die mit einem hohen Anteil am Gewinn ausgestattet ist, steuergünstig zum Vermögenswert zu übertragen. Daraus erklärt sich auch, dass Anteile an Kapitalgesellschaften, bei denen auch der Ertragswert berücksichtigt wurde, nicht erfasst werden. Betrachtet man die Vorgeschichte der durch das ErbStRG 1974[1]eingeführten Regelung, ist es so gewesen, dass der RFH zunächst von 2 Schenkungen, nämlich der Schenkung des Gesellschaftsanteils (Vermögenswert) und der Schenkung der überhöhten Gewinnbeteiligung, ausgegangen ist.[2] Im Folgenden nahm der BFH nur noch eine Schenkung an, wobei die überhöhte Gewinnbeteiligung als werterhöhender Umstand angesehen wurde.[3] Später gab der BFH diesen Standpunkt auf und stellte ausschließlich auf den Vermögenswert ab.[4] Die Regelung des § 7 Abs. 6 ErbStG legt dogmatisch ersichtlich die Sichtweise des RFH[5] zugrunde, wonach die Zuwendung einer über das Verhältnis der Kapitalanteile hinausgehende Gewinnbeteiligung als eigenständige besondere Zuwendung neben den Kapitalanteilen versteuert werden muss.

 

Rz. 521

Nachdem durch das ErbStRG vom 24.12.2008[6] die Steuerwerte von Beteiligungen an Personengesellschaften an die Verkehrswerte angepasst worden sind und der gemeine Wert, der sich im Wesentlichen nach dem Ertragswert richtet, maßgebend ist, ist de lege lata ein Zustand eingetreten, der der Sichtweise des BFH vom 29.11.1961 (überhöhte Gewinnbeteiligung als einen werterhöhenden Umstand) entspricht. Vor diesem Hintergrund ist die Regelung des § 7 Abs. 6 ErbStG nicht nur überflüssig, sondern mit der Fiktion einer doppelten Schenkung i. S. d. früheren Sichtweise des RFH in sich widersprüchlich geworden. Die Vorschrift hätte abgeschafft werden müssen, zumal die Aufteilung des gemeinen Werts des Gewerbebetriebs der Personengesellschaft gem. § 97 Abs. 1a Nr. 1 Buchst. b BewG nach dem Gewinnverteilungsschlüssel vorzunehmen ist. Da eine doppelte Besteuerung desselben Sachverhalts unverhältnismäßig wäre, hat die Vorschrift keinen sinnvollen Anwendungsbereich mehr. Sie ist teleologisch auf "0" zu reduzieren und sollte bei nächster Gelegenheit abgeschafft werden.

 

Rz. 522

Bereits in Bezug auf die frühere Rechtslage war die Vorschrift unglücklich formuliert. Zuwendungsgegenstand ist das Übermaß an Gewinnbeteiligung. Die Differenz zwischen dem zu erwartenden Gewinn und dem noch angemessenen Gewinn ist der "Übergewinn", der selbstständig der Schenkungsteuer unterworfen wird. Jedoch gibt § 7 Abs. 6 ErbStG keine Auskunft, auf welche Weise das Gewinnübermaß zu ermitteln ist. Das Übermaß muss kapitalisiert werden, doch schweigt das Gesetz zu Laufzeit und Vervielfältiger. Strittig ist vor allem der Fall, in dem es nachträglich, nach der schenkweisen Übertragung der Beteiligung, zu einer Änderung des Gewinnverteilungsschlüssels zugunsten des (Neu-)Gesellschafters kommt. Die FinVerw[7] geht hier von einer Anwendbarkeit des § 7 Abs. 6 ErbStG aus. Aus der Dogmatik der Aufspaltung in 2 selbstständige Schenkungen folgt, dass die Zuwendung einer erhöhten Gewinnbeteiligung ohne selbstständige Zuwendung eines Gesellschaftsanteils nicht unter § 7 Abs. 6 ErbStG fällt.[8] Eine Besteuerungslücke ist damit allerdings nicht gegeben, da auf den Grundtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zurückgegriffen werden kann.[9]

 

Rz. 523

Die FinVerw hatte sich in R 21 ErbStR 2003 für ein Primat der ertragsteuerlichen Behandlung der angemessenen Gewinnverteilung ausgesprochen. R 21 Abs. 1 ErbStR 2003 ordnete an, dass – wenn eine Entscheidung bei den Ertragsteuern ergangen ist – diese für die Schenkungsteuer zu übernehmen ist. Fehlt es an einer entsprechenden Vorgabe, muss die "überhöhte" Gewinnbeteiligung für die Schenkungsteuer selbstständig festgestellt werden. Auch der Gesetzgeber ist offenbar bei Einführung des § 7 Abs. 6 ErbStG davon ausgegangen, dass die Grundsätze betreffend die einkommensteuerrechtliche Behandlung des Übermaßes an Gewinnbeteiligungen bei Familiengesellschaften[10] bei § 7 Abs. 6 ErbStG entsprechend gelten.[11] Dies bedeutet, der vereinbarten Beteiligung am Gewinn ist der angemessene Gewinn i. S. d. EStG gegenüberzustellen. Dabei ist von der vom BFH entwickelten Obergrenze der Angemessenheit von 15 % des tatsächlichen Wertes der Beteiligung auszugehen. Die Differenz zwischen dem zu erwartenden Gewinn und dem noch angemessenen Gewinn ist als "Übergewinn" an...

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