Rz. 460

Als Schenkung unter Lebenden gilt nach § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG, was bei der Aufhebung einer Stiftung (Alt. 1) oder bei Auflösung eines Vereins (Alt. 2) erworben wird. Nach Satz 3, der durch das ErbStRG vom 24.12.2008[1] mit Wirkung zum 1.1.2009 neu eingefügt worden ist, wird auch der Formwechsel eines Familienvereins in eine Kapitalgesellschaft als Auflösung des Vereins behandelt. Satz 2, der durch das StEntG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999[2] mit Wirkung ab dem 5.3.1999 eingefügt worden ist, erfasst einerseits den Erwerb bei Auflösung eines Trusts (Satz 2 Alt. 1) und den Erwerb von sog. Zwischenberechtigten (Satz 2 Alt. 2).

 

Rz. 461

Mit dem Erlöschen der Stiftung fällt das Vermögen an die in der Stiftungsverfassung oder dem Stiftungsgeschäft bestimmten Personen.[3] Für eine freigebige Zuwendung zwischen Stiftung und den Empfängern fehlt es an der objektiven Unentgeltlichkeit, weil diese zur Auskehrung des Vermögens im Rahmen der Liquidation gesetzlich verpflichtet sind (§ 88 S. 2 BGB i. V. m. § 49 Abs. 1 S. 1 BGB). Für eine freigebige Zuwendung zwischen Stifter und Empfängern fehlt es bereits an einer Handlung des Stifters (Rz. 441 ff.). Die Steuerpflicht folgt demnach konstitutiv aus § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG.

 

Rz. 462

Dem gesamten Wortlaut des § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG lässt sich nicht entnehmen, wer als Zuwendender gilt. In Betracht kommen entweder Stiftung/Verein/Trust oder Stifter, bzw. derjenige, der das Vermögen auf den Verein übertragen, oder derjenige, der die ausländische Vermögensmasse gebildet oder ausgestattet hat. Da § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG lückenhaft ist, erscheint es systematisch naheliegend, auf die Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 2 ErbStG abzustellen. Dies würde für die Stiftung bedeuten, dass der Vermögensrückfall an den Stifter nicht steuerpflichtig ist. Entsprechendes würde für Verein und ausländische Vermögensmasse gelten. Der BFH[4] hat allerdings entschieden, dass die Vorschrift des § 15 Abs. 2 ErbStG keine Regelung in Bezug auf den durch § 7 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG erfassten Tatbestand treffe. § 15 Abs. 2 ErbStG habe nur Bedeutung für die Steuerklasse und Berechnung der Steuer. Ansonsten müsse davon ausgegangen werden, dass bei Aufhebung einer Stiftung nach Bürgerlichem Recht Zuwendender die Stiftung sei, weil auf diese das Vermögen in dem Stiftungsgeschäft übertragen worden sei. Entsprechendes müsste dann für die Auflösung des Vereins und der ausländischen Vermögensmasse gelten. Hannes/Holtz[5] äußern zu Recht Zweifel, ob dieses Ergebnis angesichts von Gesetzeswortlaut, Entstehungsgeschichte und der Teleologie im Licht des § 29 ErbStG wirklich zu überzeugen vermag.

 

Rz. 463

Das Erlöschen einer rechtsfähigen Stiftung kann durch verschiedene Tatbestände, etwa durch Beschluss der Stiftungsorgane, Zeitablauf oder Einleitung eines Insolvenzverfahrens erfolgen. Sie kann auch durch Aufhebung seitens der zuständigen Behörde[6] erlöschen. Dem Wortlaut nach bezieht sich § 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 ErbStG nur auf den Erwerb, der bei "Aufhebung einer Stiftung" anfällt. Deshalb ist zweifelhaft, ob auch die sonstigen Erlöschensgründe, wie etwa durch Zeitablauf oder Eintritt einer auflösenden Bedingung, erfasst werden.[7] Aufhebung bzw. Erlöschen setzen eine vollständige Beendigung der Stiftung voraus. Werden demgegenüber nur Teile des Vermögens ausgeschüttet, liegt keine Aufhebung oder Teilaufhebung vor, auch wenn der Empfänger des Vermögens zu den Destinatären gehört.[8] Satzungsmäßige Zuwendungen aus dem Vermögen von Stiftungen erfolgen nicht mit Bereicherungsabsicht, sondern aufgrund des Satzungszwecks, sodass Zuwendungen an Destinatäre von Stiftungen keine freigebigen Zuwendungen sind.[9] Sie sind nach § 10 Abs. 7 ErbStG nicht abzugsfähig, und zwar selbst dann nicht, wenn sie in der Stiftungssatzung bereits verbindlich begründet sind.[10]

 

Rz. 464

Abweichend von der Sichtweise der FinVerw stellt die Änderung des Stiftungszwecks unter Aufrechterhaltung der Identität der bestehenden juristischen Person keine Aufhebung dar.[11] Es liegt also kein Vermögensübergang auf die "neue" Stiftung vor, die der Steuerklasse III unterliegen würde. Die Änderung des Stiftungszwecks ist kein steuerliches Tatbestandsmerkmal.[12]

 

Rz. 465

§ 7 Abs. 1 Nr. 9 S. 1 Alt. 2 ErbStG stellt die Auflösung eines Vereins, dessen Zweck auf die Bindung von Vermögen gerichtet ist, der Aufhebung einer Stiftung gleich. Die Erweiterung des Satzes 1 wurde durch das ErbStRG 1974[13] neu in das ErbStG eingefügt, um "aus Gründen der Steuergerechtigkeit" eine Gleichbehandlung zu den Stiftungen herzustellen. Da Alt. 1 nach allgemeiner Ansicht nur die rechtsfähige Stiftung betrifft[14], kann es bei der Gleichstellung in Alt. 2 nur um den eingetragenen Verein gehen.[15] Eine generelle steuerrechtliche Gleichbehandlung lässt sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. d ErbStG nicht ableiten, denn so würde § 54 S. 1 BGB negiert, der auf das Recht der Personengesellschaften verweist.[16] Überdies stellt sich die Frage, ob bei Gesamthandsvermögen überhaupt der Zwe...

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