Rz. 88

Die Haftung nach § 20 Abs. 6 S. 2 ErbStG verlangt ein Verschulden (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) des Gewahrsamsinhabers. Leichte Fahrlässigkeit genügt.[1] Ein Verschulden setzt in jedem Fall voraus, dass es sich um Vermögen eines Erblassers handelt. Dem Geldinstitut muss daher der Tod des Kontoinhabers bekannt sein. Ist dies der Fall, so kann ein Verschulden in fehlenden oder völlig unzureichenden organisatorischen Vorkehrungen liegen, die eine Auszahlung des Bankguthabens an Personen mit Wohnsitz außerhalb des Bundesgebiets nicht verhindern. Eine Bank kann sich nicht auf die Erkenntnismöglichkeiten und -fähigkeiten des einzelnen kontoführenden Angestellten berufen. Sie muss vielmehr sicherstellen, dass die Prüfung, ob eine Haftung nach § 20 Abs. 6 ErbStG in Betracht kommt, von ausreichend qualifiziertem Personal vorgenommen wird.[2] Im Zweifel empfiehlt es sich daher, beim Erbschaftsteuerfinanzamt nachzufragen, ob die Aushändigung oder Auszahlung des verwahrten Vermögens unbedenklich ist.[3] Kein Verschulden liegt vor, wenn der Gewahrsamsinhaber auf unverjährte rechtskräftig festgestellte Erblasserschulden zahlt. Demgegenüber kann der Gewahrsamsinhaber nicht haftungsbefreiend auf unbestrittene Erblasserschulden zahlen, da der Rechtsnachfolger nicht gehindert ist, diese Forderung streitig zu stellen.[4] Ebenso wenig kann die Bank vor Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung zweckgebundene Verfügungen über das Guthaben des Erblassers zugunsten der Erben zulassen, die im Zusammenhang mit dem Tod des Erblassers angefallen sind.[5] Im Rahmen der Ermessensentscheidung über die Inanspruchnahme des Haftungsschuldners soll das FA den Zweck der Mittelverwendung zu berücksichtigen haben.[6]

[3] Zur Bedeutung der Unbedenklichkeitsbescheinigung vgl. oben Rz. 78.
[4] A. A. Gottschalk, in T/G/J/G, § 20 ErbStG Rz. 66.
[5] Insb. Arzt- und Krankenhauskosten, Beerdigungskosten einschließlich der Kosten für Todesanzeigen und die Trauerfeier, Wohnungsmiete samt Nebenkosten, Kosten für die Grabanlage und die Dauergrabpflege sowie für die Auszahlung von Pflichtteilen, vgl. LfSt Bayern, 7.1.2015, S 3830.2.1 – 1/11 St 34.
[6] FG München v. 21.12.1994, 4 K 1296/93, UVR 1995, 153.

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