Rz. 9

Die Gesamtschuldnerschaft hat zur Folge, dass die Erfüllung des Steueranspruchs gem. § 44 Abs. 2 S. 1 AO auch für die übrigen Steuerschuldner wirkt. Ebenso wirkt eine Aufrechnung sowie eine geleistete Sicherheit gem. § 44 Abs. 2 S. 2 AO für die übrigen Gesamtschuldner.[1] Alle anderen Tatsachen (Stundung, Erlass, Aussetzung der Vollziehung) wirken hingegen gem. § 44 Abs. 2 S. 3 AO nur für und gegen den Gesamtschuldner, in dessen Person sie eintreten; insoweit sind die Steuerfestsetzungen gegen mehrere Gesamtschuldner voneinander unabhängig. Die Gesamtschuldnerschaft begründet kein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit; die Entscheidung gegenüber den Gesamtschuldnern muss nicht einheitlich ergehen.[2] Die Gesamtschuld begründet kein Verhältnis gegenseitiger Abhängigkeit. Abweichungen in der Bestands- und Rechtskraft können zu unterschiedlichen Steuerfestsetzungen führen und sind hinzunehmen.[3]

 

Rz. 10

Es ist möglich, nach Festsetzung der Schenkungsteuer gegen einen Gesamtschuldner (z. B. gegen den Beschenkten) später auch den anderen Gesamtschuldner (Schenker) heranzuziehen. Diese nachträgliche Heranziehung anderer Gesamtschuldner ist naturgemäß besonders streitanfällig. Jedoch muss jeder Gesamtschuldner bis zum Eintritt der Verjährung mit seiner Inanspruchnahme rechnen.[4] Das FA kann gegenüber einem Gesamtschuldner (z. B. Schenker) die Schenkungsteuer selbst dann höher festsetzen, wenn der bestandskräftige Bescheid gegen den vorher in Anspruch genommenen Gesamtschuldner bereits bestandskräftig ist und nicht mehr nach §§ 172 ff. AO geändert werden kann, da es sich insoweit nicht um eine Korrektur, sondern um eine eigene Steuerfestsetzung handelt.[5] Die Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners muss allerdings ermessensfehlerfrei[6] sein und gem. § 121 AO vom FA entsprechend begründet werden.

Der Schenker kann nicht mehr nach § 20 Abs. 1 S. 1 ErbStG als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, wenn nach einer zwischenzeitlichen Herabsetzung und Erstattung einer ursprünglich festgesetzten und gezahlten Schenkungsteuer gem.§ 29 ErbStG anschließend eine erneute Festsetzung auf den ursprünglichen Steuerbetrag erfolgt.[7]

 

Rz. 11

Der nachträglich in Anspruch genommene Gesamtschuldner kann alle Einwendungen gegen Grund und Höhe des geltend gemachten Steueranspruchs erheben.[8] Die bloße Tatsache eines steuerrechtlichen Gesamtschuldverhältnisses beeinträchtigt das Recht auf Wahrung des Steuergeheimnisses nicht und begründet kein gewichtiges rechtliches Interesse eines Gesamtschuldners, die Akten des von einem anderen der Gesamtschuldner geführten Finanzrechtsstreits einzusehen.[9] Der Schenker, der nachträglich zur Schenkungsteuer herangezogen wird, soll den gegen den Beschenkten ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Bedarfswerts eines Grundstücks anfechten können, obwohl dieser Bescheid gegenüber dem Schenker als Nichtadressaten keine rechtliche Wirkung entfaltet.[10] Soweit der Beschenkte Zahlungen auf die gegen ihn festgesetzte Erbschaftsteuer geleistet hat, kann für den Differenzbetrag Erbschaftsteuer gegen den Schenker festgesetzt werden.[11]

 

Rz. 12

In besonderen Ausnahmefällen kann die spätere Inanspruchnahme des anderen Gesamtschuldners (z. B. des Schenkers) wegen Verwirkung des Steueranspruchs unzulässig sein. Dafür reicht allerdings der bloße Zeitablauf noch nicht aus. Verwirkung ist jedoch in Betracht zu ziehen, wenn der Stpfl. bei objektiver Beurteilung annehmen durfte, das FA werde den Anspruch nicht oder nicht mehr geltend machen[12] und er sich hierauf eingerichtet hat.

 

Rz. 13

Wird der Schenker – weil die Inanspruchnahme des Beschenkten erfolglos blieb – nachträglich für die von ihm nicht übernommene (§ 10 Abs. 2 ErbStG) Schenkungsteuer als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, so wird der Beschenkte im Ergebnis um die Schenkungsteuer bereichert. Allerdings wird es dem Schenker i. d. R. an einem entsprechenden Bereicherungswillen fehlen.[13] Deshalb wird die Erhöhung des steuerpflichtigen Erwerbs gem. § 10 Abs. 2 ErbStG nur in Betracht kommen, wenn der Schenker auf den ihm an sich zustehenden Ausgleichsanspruch gem. § 426 BGB gegen den Beschenkten ausdrücklich verzichtet. Der Schenker ist im Übrigen dem Risiko ausgesetzt, dass das FA gegen ihn eine zutreffende höhere Steuer trotz Bestandskraft der gegen den Beschenkten festgesetzten niedrigeren Steuer festsetzt.[14]

 

Rz. 14

Wird der Beschenkte trotz übernommener Schenkungsteuer durch den Schenker nachträglich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen, weil die Beitreibung der Steuer beim Schenker erfolglos blieb, soll sich die Bereicherung des Beschenkten mindern, sofern die Steuer zuvor beim Schenker gem. § 10 Abs. 2 ErbStG berücksichtigt worden war. In diesem Fall kommt eine Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO in Betracht.[15]

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