Rz. 8

§ 16 Abs. 1 ErbStG knüpft an die unbeschränkte Steuerpflicht[1] und § 16 Abs. 2 ErbStG knüpft an die beschränkte Steuerpflicht nach[2] an.

2.1.1 Rechtslage bis zum 14.12.2011

 

Rz. 8a

Die Tatbestandsanknüpfung mit der daraus resultierenden drastischen Differenzierung der Freibeträge wurde in der Vergangenheit vielfach kritisiert. Der Freibetrag von 2.000 EUR war für den einzig denkbaren Anwendungsfall – nämlich bei Steuerausländern mit Inlandsvermögen – viel zu niedrig. Die Anrechnung der deutschen Steuer auf die ausländische Erbschaftsteuer konnte sich in vielen Fällen nicht positiv auswirken, da häufig im Ausland keine (z. B. seit 2008 auch in Österreich) oder eine nur sehr geringe Erbschaftsteuer erhoben wird. Faktisch führt dies zu einer Diskriminierung von Ausländern.

Die vorgenommene Differenzierung war zwar nach nationalem Recht verfassungsgemäß. Die Europarechtswidrigkeit dieser Differenzierung wurde jedoch durch den EuGH im Jahr 2010 auf eine Vorlage des FG Düsseldorf eindeutig festgestellt.[1]

Danach ist Art. 56 EG-Vertrag i. V. m. Art. 58 EG-Vertrag dahin auszulegen, dass dieser Artikel der damaligen deutschen Norm des § 16 Abs. 2 ErbStG entgegenstand. Diese Regelung, wonach der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage im Fall der Schenkung eines im Inland belegenen Grundstücks dann, wenn Schenker und Schenkungsempfänger zur Zeit der Ausführung der Schenkung ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedstaat hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest einer von ihnen zu diesem Zeitpunkt seinen Wohnsitz im erstgenannten Mitgliedstaat gehabt hätte, widerspricht dem EG-Vertrag. Damit war die Europarechtswidrigkeit der in § 16 Abs. 2 ErbStG getroffenen Wohnsitzanknüpfung für die drastische Freibetragsdifferenzierung im Verhältnis zu den Freibeträgen des § 16 Abs. 1 ErbStG nunmehr mit unmittelbarer Wirkung festgestellt.

2.1.2 Rechtslage für Erwerbe ab dem 14.12.2011 bis zum 24.6.2017 (Optionslösung)

 

Rz. 8b

Der Gesetzgeber hat im BeitrRLUmsG[1] reagiert. Zur Anpassung des ErbStG an die EuGH-Entscheidung "Mattner" wurde dem Erwerber eines an sich nur beschränkt steuerpflichtigen Vermögensanfalls in § 2 Abs. 3 ErbStG (neu) ein Antragsrecht eingeräumt, wenn einer der Zuwendungsbeteiligten oder beide Zuwendungsbeteiligte in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat ansässig waren. Mit dem Antrag unterwarf der Erwerber seinen Erwerb den Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht. Dadurch konnte er den höheren Freibetrag nach § 16 Abs. 1 ErbStG in Anspruch nehmen. Allerdings musste er sich konsequenterweise den vollständigen Regelungen der unbeschränkten Steuerpflicht unterwerfen.

§ 2 Abs. 3 ErbStG n. F. fand auf Erwerbe Anwendung, für die die Steuer nach dem Tag der Verkündung des BeitrRLUmsG entstand, also für Erwerbe ab dem 14.12.2011 bis zum 24.6.2017. Soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig waren, fand die Neuregelung auf Antrag auch auf frühere Erwerbe Anwendung.

Die ebenfalls in § 2 ErbStG eingeführten Legaldefinitionen zur unbeschränkten bzw. beschränkten Steuerpflicht wurden mit der gesetzlichen Neuregelung konsequent auch auf § 16 ErbStG übertragen. § 16 Abs. 1 ErbStG unterfielen damit die Fälle der originären und der optierten unbeschränkten Steuerpflicht.

[1] BGBl I 2011, 2614.

2.1.3 Europrechtswidrigkeit der Optionslösung

 

Rz. 8c

Ungeklärt war bislang die Frage, ob Art. 56 EG-Vertrag in Verbindung mit Art. 58 EG-Vertrag auch Zuwendungsbeteiligte schützt, die nicht in einem EU- oder EWR-Mitgliedstaat ansässig sind (Drittstaatenfälle). Der Gesetzgeber hatte diese Fälle bislang nicht in die Neuregelung nach § 2 Abs. 3 ErbStG einbezogen. Der EuGH hat im Jahr 2013[1] in der Rechtssache "Welte" entschieden, das Art. 56 und 58 EG-Vertrag für Drittstaatenfälle in gleicher Weise wie im Fall "Mattner"[2] einschlägig sind. Danach haben auch Erwerber in Drittstaaten (z. B. wie im Entscheidungsfall in der Schweiz) Anspruch auf denselben Freibetrag wie ein Erbe, der in Deutschland wohnt und deshalb unbeschränkt steuerpflichtig ist.

 

Rz. 8d

Das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz musste damit hinsichtlich der Freibeträge für beschränkt Stpfl. erneut geändert werden.

Hintergrund der Neuregelung war neben der Entscheidung "Welte" insbesondere das EuGH-Urteil vom 8.6.2016, BFH/NV 2016, 1244, Rechtssache C-479/14 ("Hünnebeck").

Der Europäische Gerichtshof hat in der Rechtssache "Hünnebeck" entschieden, dass die Gewährung eines niedrigeren Freibetrages bei Schenkungen unter Gebietsfremden (Fälle der beschränkten Steuerpflicht) auch dann gegen Art. 63 AEUV und 65 AEUV verstößt, wenn dem Erwerber die Möglichkeit der Besteuerung als unbeschränkt steuerpflichtiger Erwerb eingeräumt wird, er den entsprechenden Antrag aber nicht stellt. Besonders kritisch ist es nach der EuGH-Entscheidung, wenn die Antragstellung bewirkt, dass für die Berechnung der Steuer auf die betreffende Schenkung alle Schenkungen, die dieser Schenkungsempfänger in den 10 Jahren vor und den 10 Jahren nach der Schenkung von derselben Person er...

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