Rz. 55

§ 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG stellte bis zum 31.12.2008 den steuerpflichtigen Erwerb bis zu einer Höhe von 5.200 EUR steuerfrei, sofern er einer Person anfiel, die dem Erblasser unentgeltlich oder gegen unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt hatte, und das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen war – im Zuge der Reform des ErbStG durch das Gesetz vom 24.12.2008[1] wurde der Freibetrag mit Wirkung zum 1.1.2009 auf 20.000 EUR erhöht.[2] Nach der ursprünglichen Regelung des § 18 Abs. 1 Nr. 11 ErbStG 1959 galt bis zum 31.12.1973 eine der Höhe nach unbegrenzte Steuerbefreiung für den Erwerb einer Person, die dem Erblasser in Erwartung einer letztwilligen Zuwendung unentgeltlich oder gegen ein unzureichendes Entgelt Pflege oder Unterhalt gewährt hatte und soweit das Zugewendete als angemessenes Entgelt anzusehen war. Da die subjektive Tatbestandsvoraussetzung in Form der Erwartungshaltung des Erwerbers in der Praxis nur sehr schwer feststellbar war, wurde im Rahmen einer Gesetzesänderung ab dem 1.1.1974 zum einen auf das Erfordernis der Erwartung einer letztwilligen Verfügung verzichtet und zum anderen die Steuerbefreiung auf 2.000 DM begrenzt.

 

Rz. 56

Die Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG gilt vor dem Hintergrund des § 1 Abs. 2 ErbStG sowohl für Erwerbe von Todes wegen als auch für Zuwendungen unter Lebenden[3] und begünstigt natürliche und juristische Personen, wobei es keine Rolle spielt, ob diese unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtig sind.[4] Da weitere Voraussetzung für die Gewährung des Freibetrags i. H. v. 20.000 EUR ist, dass die Pflege- oder Unterhaltsleistungen unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt im persönlichen oder privaten Bereich erbracht wurden, findet § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG von vornherein keine Anwendung, wenn der Erwerber bereits aufgrund gesetzlicher Vorschriften zur Pflege oder zum Unterhalt verpflichtet ist. Eine aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses bestehende gesetzliche Unterhaltspflicht (z. B. nach §§ 1601 ff. BGB) schließt die Gewährung des Pflegefreibetrags jedoch nicht aus.[5]

 

Rz. 57

Pflege und Unterhalt i. S. d. § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG müssen mit einer gewissen Nachhaltigkeit, über eine längere Dauer und mit einer gewissen Regelmäßigkeit gewährt worden sein.[6] Für das erforderliche Ausmaß haben weder Rspr. noch FinVerw feste Maßstäbe entwickelt, womit letztlich auf den konkreten Einzelfall und die tatsächliche Bedürftigkeit des Empfängers abgestellt werden muss. Der Begriff der Pflege umfasst die Sorge um das körperliche und geistige Wohl einer infolge Krankheit, Behinderung, Alter oder aus einem sonstigen Grund hilfsbedürftigen Person.[7] Für die Gewährung der Steuerbefreiung nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG ist nicht erforderlich, dass der Erblasser pflegebedürftig und einer Pflegestufe nach dem SGB XI zugeordnet ist.[8] Der Begriff des Unterhalts bedeutet die Gewährung von Nahrung, Kleidung und Unterkunft[9], wobei die Leistungen in natura oder in bar erbracht werden können.[10]

 

Rz. 58

Die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG setzt zudem voraus, dass der Erwerb als ein angemessenes Entgelt für die an sich unentgeltlich oder gegen ein zu geringes Entgelt gewährte Pflege bzw. den gewährten Unterhalt anzusehen ist; es kommt in diesem Zusammenhang lediglich auf das tatsächlich geleistete und nicht auf das zwischen Leistungsempfänger und Erwerber evtl. vereinbarte Entgelt an.[11] Der Wert der geleisteten Pflege bzw. des Unterhalts, der sich am Wertansatz nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs orientiert[12], muss in etwa dem Wert des Erwerbs im Zeitpunkt der Gewährung der Pflege- oder Unterhaltsleistung entsprechen[13]; die Vorstellungen bzw. die subjektive Erwartungshaltung des Erwerbers spielen keine Rolle.[14] Beim Erwerb in Form einer Rente bestimmt sich deren Angemessenheit nach Ansicht des BFH nach der Höhe der jeweiligen Rentenzahlung und nicht nach dem Kapitalwert der Rente insgesamt.[15]

 

Rz. 59

Der Freibetrag nach § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG wird weder im Rahmen eines Erwerbs von Todes wegen, noch einer Zuwendung unter Lebenden gewährt, sofern die Pflege bzw. der Unterhalt aufgrund eines nachgewiesenen und mit Rechtsbindungswillen abgeschlossenen entgeltlichen Dienstverhältnisses i. S. d. § 611 BGB geleistet wird.[16] Ist der Erblasser zu Lebzeiten dem Erwerber die entsprechende Vergütung schuldig geblieben, handelt es sich insoweit bereits um eine bereicherungsmindernde Nachlassverbindlichkeit in Form einer Erblasserschuld gem. § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG.[17] Diese Grundsätze gelten entsprechend für Zuwendungen unter Lebenden, wobei das Entgelt für die als Pflege bzw. Unterhalt vereinbarte Dienstleistung eine bereicherungsmindernde Gegenleistung für den ansonsten steuerpflichtigen Erwerb darstellt.[18] An den Nachweis eines entsprechenden entgeltlichen Dienstverhältnisses werden hohe Anforderungen gestellt.[19]

 

Rz. 60

Entgegen dem Wortlaut des § 13 Abs. 1 Nr. 9 ErbStG handelt es sich nach h. M. nicht um eine Freigre...

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