Rz. 63

Die Feststellung einer Beeinträchtigung setzt zunächst voraus, dass sich ein Gebietsfremder und ein Gebietsansässiger in einer objektiv vergleichbaren wirtschaftlichen Situation befinden.[1] Wann eine objektiv vergleichbare Situation vorliegt, lässt sich der Rspr. des EuGH nicht allgemein, sondern nur einzelfallbezogen entnehmen.

 

Rz. 64

Nach der grundlegenden Entscheidung "avoir fiscal", mit der der EuGH den Einfluss der Grundfreiheiten zunächst auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer eingeleitet hatte, ist entscheidend, dass die Vergleichspartner in Bezug auf die "Modalitäten und Voraussetzungen" der Besteuerung gleich behandelt werden.[2] Eine solche Gleichbehandlung liegt etwa vor, wenn das Gesetz für Zwecke der Besteuerung einer im Wege der Erbfolge erworbenen Immobilie, die in einem Mitgliedstaat belegen ist, die Erben einer zum Zeitpunkt ihres Todes gebietsansässigen Person und diejenigen einer zu diesem Zeitpunkt gebietsfremden Person grundsätzlich auf die gleiche Stufe stellt.[3]

 

Rz. 65

In den sog. Grenzpendlerfällen hat der EuGH eine vergleichbare Situation nur dann angenommen, wenn der Stpfl. in seinem Wohnsitzstaat keine nennenswerten Einkünfte erzielt und sein Einkommen "im Wesentlichen" aus einer Tätigkeit bezieht, die er im Beschäftigungsstaat ausübt. Erzielt er dagegen im Wohnsitzstaat Einkünfte in einer Höhe, die ihn dort in den Genuss der üblichen persönlichen Vergünstigungen kommen lassen, bleibt es bei dem Grundsatz, dass sich Gebietsansässige und Gebietsfremde nicht in einer vergleichbaren Situation befinden.[4]

 

Rz. 66

Die Feststellung einer Beeinträchtigung setzt weiter voraus, dass eine nachteilige Ungleichbehandlung vorliegt. Hierzu gehören Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten.[5] Eine Ungleichbehandlung wird man immer annehmen können, wenn der Gebietsfremde durch die Besteuerung wirtschaftlich höher belastet wird als der vergleichbare Gebietsansässige.[6] So etwa, wenn Erben in Bezug auf die Abzugsfähigkeit der auf einer Immobilie ruhenden Belastungen unterschiedlich danach behandelt werden, ob der Erblasser eine gebietsansässige oder gebietsfremde Person war.[7] Eine Ungleichbehandlung ergibt sich auch in den Fällen einer Wegzugsbesteuerung.[8]

 

Rz. 67

Hierbei scheiden allerdings einzelfallimmanente Be- oder Entlastungen aus. Auch dürfen nur solche Belastungen eingestellt werden, die dem Besteuerungsstaat zurechenbar sind.

[2] EuGH v. 28.1.1986, 270/83 (Kommission/Frankreich), NJW 1987, 569; vgl. auch EuGH v. 11.9.2008, C-11/07 (Eckelkamp), BFH/NV 2009, 107, m. w. N.
[4] Fischer, Primäres Gemeinschaftsrecht und direkte Steuern, 2001, 317.
[5] Vgl. m. w. N. EuGH v. 22.1.2009, C-377/07 (STEKO), BFH/NV 2009, 530; EuGH v. 23.2.2006, C-513/03 (van Hilten-van der Heijden), BFH/NV Beilage 2006, 229.
[7] EuGH v. 11.9.2008, C-11/07 (Eckelkamp), BFH/NV 2009, 107; v. 11.9.2008, C-43/07 (Arens-Sikken), BFH/NV 2009, 107; EuGH v. 17.1.2008, C-256/06 (Jäger), BFH/NV Beilage 2008, 120; ebenso, wenn Freibeträge zu einer höheren Steuer führen, allein deswegen, weil die Beteiligten in einem Mitgliedstaat wohnen und nicht wenigstens einer im Inland, vgl. EuGH v. 22.4.2010, C-510/08 (Mattner), BFH/NV 2010, 1212.

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