Rz. 45

Nach § 6 Abs. 1 BewG werden aufschiebend bedingte Lasten bis zum Bedingungseintritt nicht berücksichtigt. Unter Lasten fallen Verpflichtungen aller Art, also nicht bloß Kapitalschulden, sondern auch wiederkehrende Leistungen wie z. B. Rentenverpflichtungen.[1] Auch Sach- und Dienstleistungspflichten sind Lasten i. S. d. § 6 BewG. Von den aufschiebend bedingten Lasten sind solche zu unterscheiden, die bereits entstanden sind und bei denen lediglich die genaue Höhe noch nicht bekannt ist. Diese sind ggf. mit einem nach den Verhältnissen des Stichtags geschätzten Wert[2] zu berücksichtigen.[3]

Die Vorschrift des § 6 Abs. 1 BewG gilt in Erb- und Schenkungsfällen unabhängig davon, ob die aufschiebend bedingte Last im Zusammenhang mit dem steuerpflichtigen Erwerb begründet wurde oder bereits in der Person des Rechtsvorgängers bestanden hatte und vom Rechtsnachfolger übernommen wurde.[4] In Schenkungsfällen wirkt sich § 6 Abs. 1 BewG auch auf die Beurteilung der Frage aus, ob eine reine oder eine gemischte Schenkung vorliegt.

 
Praxis-Beispiel

A überträgt dem B ein mit Grundpfandrechten belastetes Grundstück unter Vorbehalt des Nießbrauchs; B übernimmt die persönliche Haftung für die den Grundpfandrechten zugrunde liegenden Verbindlichkeiten, jedoch verpflichtet sich A, die Zins- und Tilgungsleistungen für die Dauer des Nießbrauchs weiterzutragen. Da B im Verhältnis zu A für die Dauer des Nießbrauchs nicht mit den Verbindlichkeiten belastet ist, handelt es sich für ihn um eine aufschiebend bedingte Last, die im Rahmen der Schenkungsteuer zunächst nicht zu berücksichtigen ist.[5]

Da die aufschiebend bedingte Last zunächst nicht berücksichtigt wird, führt ein vor Bedingungseintritt erfolgender Verzicht des Berechtigten nicht zu einer Bereicherung des Verpflichteten.[6]

 

Rz. 46

Einzelfälle aufschiebend bedingter Lasten:

  • Übernimmt der Erwerber eines Grundstücks die Grundschulden ohne Übernahme der persönlichen Haftung für die zugrunde liegenden Verbindlichkeiten, die bei dem Schenker verbleiben, ist die Verpflichtung aus der Grundschuld[7] aufschiebend bedingt, weil es erst dann zu einer Belastung des Erwerbers kommt, wenn der Darlehensschuldner nicht zahlt.[8]
  • Entsprechendes gilt, wenn die Grundschuld für eine aufschiebend bedingte Forderung bestellt ist.[9]
  • Sind unverzinsliche Hypothekenschulden nur in Höhe des Erlöses aus dem späteren Verkauf des Grundstücks zu tilgen, sind die Hypothekenschulden aufschiebend bedingt.[10]
  • Entsprechendes gilt für die Verpflichtung, im Fall der Veräußerung eines Grundstücks einen Teil des Erlöses an einen Dritten abzuführen.[11]
  • Im Stiftungsgeschäft vorgesehene Leistungen einer Stiftung an die erst in Zukunft in den Genuss des Stiftungsrechts tretenden Familienmitglieder sind dadurch aufschiebend bedingt, dass die künftigen Berechtigten den Zeitpunkt der Berufung erleben.[12]
  • Im Zusammenhang mit einer Grundstücksschenkung oder einer Regelung zur vorweggenommenen Erbfolge übernommene Verpflichtungen zu Pflegeleistungen sind durch den Eintritt der Pflegebedürftigkeit aufschiebend bedingt.[13]
  • Die Verpflichtung, dem Vermächtnisnehmer ein Grundstück zu übertragen, falls dessen Gegenwert nicht für die Finanzierung von Krankheits- und Pflegekosten des Erben benötigt wird, ist aufschiebend bedingt.[14]
  • Ein Nießbrauch, der erst für die Zeit nach dem Ableben des zunächst berechtigten Nießbrauchers einem Dritten zugewendet wird (sog. Sukzessivnießbrauch), ist bei der Schenkungsteuerveranlagung nicht zu berücksichtigen, weil er zur Zeit der Zuwendung nicht besteht und ungewiss ist, ob und ggf. wann er je in Kraft treten wird.[15]
  • Behält sich ein Schenker den Nießbrauch vor, obwohl der Zuwendungsgegenstand bereits mit dem Nießbrauch eines Dritten belastet ist, hängt die Entstehung des Nießbrauchs des Schenkers hingegen nicht vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung i. S.d. § 6 Abs. 1 BewG ab. Der Nießbrauch des Schenkers entsteht vielmehr mit der Schenkung und erhält einen Rang nach dem älteren Nießbrauch. Die Nachrangigkeit hat zur Folge, dass der Nießbrauch des Schenkers zunächst nicht geltend gemacht oder zwangsweise durchgesetzt werden kann. Seine zivilrechtliche Entstehung wird durch die Existenz des älteren Nießbrauchs aber nicht verhindert.[16]

Keine aufschiebend bedingte Last ist hingegen die auf geerbten Stückzinsen ruhende latente Einkommensteuerlast des Erben.[17] § 6 Abs. 2 i. V. m. § 5 Abs. 2 BewG enthält keinen den § 10 Abs. 5 ErbStG ergänzenden weiteren Abzugstatbestand. Die Vorschrift betrifft überdies nur rechtsgeschäftliche Bedingungen und erfasst daher nicht Steuerschulden, die kraft Gesetzes entstehen.[18]

 

Rz. 47

Tritt die aufschiebende Bedingung ein, ist die bisherige Steuerfestsetzung in entsprechender Anwendung des § 5 Abs. 2 BewG zu ändern.[19] Für die Bewertung einer zuvor aufschiebend bedingten Last kommen grundsätzlich 2 Zeitpunkte in Betracht:

  • der Zeitpunkt der Steuerentstehung und
  • der Zeitpunkt des Eintritts der aufschiebenden Bedingung.

Handelt es sich bei der Last ...

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