Entscheidungsstichwort (Thema)

Zugehörigkeit eines ESt-Erstattungsanspruch zum insolvenzfreien Vermögen

 

Leitsatz (redaktionell)

Ein ESt-Erstattungsanspruch, der in Zusammenhang mit einer aus dem Insolvenzbeschlag freigegebenen Tätigkeit des Insolvenzverwalters steht, gehört zum insolvenzfreien Vermögen.

 

Normenkette

InsO § 35 Abs. 2, § 96; AO § 218 Abs. 2

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Einkommensteuer(ESt)-Erstattungsanspruch zur Insolvenzmasse gehört.

Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn X K (K) bestellt. Das Insolvenzverfahren wurde am 21.12.2009 eröffnet. K betrieb sowohl vor als auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens einen gewerblichen Dienstleistungsbetrieb. Mit Schreiben vom 22.12.2009 gab der Kläger die vorgenannte selbstständige Tätigkeit nach § 35 Abs. 2 Satz 1, 2 InsO aus der Insolvenzmasse frei. Das Schreiben hat folgenden Wortlaut:

„Insolvenzverfahren über das Vermögen des …

hier: Freigabe selbstständige Tätigkeit

Sehr geehrter Herr K.,

in der vorgenannten Angelegenheit sind Sie unter der Anschrift … selbstständig tätig. Geschäftsgegenstand sind Montagearbeiten, Sonstige Tätigkeiten und Arbeiten für andere Unternehmen. Diese selbstständige Tätigkeit gebe ich hiermit gemäß § 35 Abs. 2 Satz 1 InsO aus der Insolzvenzmasse zu Ihren Gunsten frei. Auf § 295 Abs. 2 InsO weise ich vorsorglich hin.”

Die Freigabe wurde vom Insolvenzgericht am 23.12.2009 veröffentlicht. Das Unternehmen wurde zum 30.06.2010 abgemeldet.

Unter Berücksichtigung der zu erwartenden Einkünfte aus der freigegebenen gewerblichen Tätigkeit setzte der Beklagte mit Bescheid vom 09.12.2009, zuletzt geändert am 15.02.2011, für das I. bis III. Quartal 2010 jeweils ESt-Vorauszahlungen i.H.v. 278 EUR gegenüber K und seiner mit ihm zusammen zur ESt veranlagten Ehefrau fest. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass die Vorauszahlungen von dem Girokonto des K aus dessen insolvenzfreien Vermögen bezahlt wurden.

Die ESt 2010 für die Eheleute K wurde mit Bescheid vom 05.05.2011 auf null festgesetzt. Hierbei wurden Einkünfte des K aus Gewerbebetrieb i.H.v. 10.796 EUR und aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 8.880 EUR berücksichtigt. Für die Ehefrau des K wurden keine Einkünfte angesetzt.

Unter Berücksichtigung der Vorauszahlungen i.H.v. 834 EUR und Säumniszuschlägen i.H.v. 18 EUR ergab sich ein Steuererstattungsanspruch i.H.v. 816 EUR. Mit Schreiben vom 09.06.2011, gerichtet an die Eheleute K, rechnete der Beklagte den Erstattungsanspruch in voller Höhe gegen Einkommensteuerrückstände 2009 auf.

Nachdem der Kläger mit Schreiben vom 11.07.2011 die Auszahlung des ESt-Guthabens 2010 begehrt hatte, wurde am 07.03.2012 der streitgegenständliche Abrechnungsbescheid erlassen. Der Beklagte stellte hierin im Ergebnis fest, dass dem Kläger kein Erstattungsanspruch zustehe. Der sich aus der ESt-Veranlagung 2010 ergebende Erstattungsanspruch sei in Höhe von 18 EUR durch Umbuchung auf Säumniszuschläge zur ESt-Vorauszahlung IV. Quartal 2010 und in Höhe von 816 EUR durch Aufrechnung mit ESt-Schulden 2009 der Eheleute K erloschen. Zur Begründung heißt es weiter, der Erstattungsanspruch sei dem insolvenzfreien Vermögen zugerechnet worden, weil aus diesem auch die zur Erstattung führenden Vorauszahlungen geleistet worden seien. Dementsprechend stehe das Guthaben zur Verrechnung mit Insolvenzforderungen zur Verfügung, zumal Aufrechnungsverbote – insbesondere § 96 Abs. 1 Nr. 1-4 InsO – nicht einschlägig seien.

Der hiergegen eingelegte Einspruch des Klägers wurde mit Einspruchsentscheidung vom 22.05.2012 als unbegründet zurückgewiesen.

Der Kläger wandte sich sodann an das Gericht und beantragte Prozesskostenhilfe (PKH) für eine gegen den Abrechnungsbescheid noch zu erhebende Klage, die sich auf die Feststellung eines Erstattungsanspruch i.H.v. 834 EUR richten sollte. Der Senat gewährte dem Kläger mit Beschluss vom 08.10.2012 lediglich PKH, soweit sich die beabsichtigte Klage auf die Feststellung eines Erstattungsanspruch i.H.v. 417 EUR beziehen würde. Begründet wurde dies damit, dass der Erstattungsanspruch auf beide Ehegatten je zur Hälfte entfalle und der Kläger allenfalls hinsichtlich der Hälfte des K anspruchsberechtigt sein könne.

Der Kläger hat sodann mit dem Ziel der Feststellung eines Erstattungsanspruch von 417 EUR Klage erhoben und Wiedereinsetzung in die Klagefrist beantragt.

Er ist der Auffassung, dass der Erstattungsanspruch zur Insolvenzmasse gehöre. Nach § 35 InsO erfasse das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Folglich würden auch Steueransprüche, die ein Insolvenzschuldner während des Insolvenzverfahrens erlange, in die Insolvenzmasse fallen. Zu betonen sei in diesem Zusammenhang, dass etwaige Steuererstattungsansprüche von ihm – dem Kläger – auch nicht freigegeben worden seien. Nach dem Wortlaut des § 35 Abs. 2 InsO könne der Insolvenzverwalter lediglich Vermögen aus einer Tätigkeit freigegeben. Bei dem ESt-Erstattu...

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