Entscheidungsstichwort (Thema)

Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung von Ehegatten

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei einem verheirateten Arbeitnehmer liegt der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort, an dem auch sein Ehepartner wohnt. Gelegentliche Besuche des Ehepartners am Beschäftigungsort des Arbeitnehmers sowie das Zusammenleben berufstätiger Ehegatten an dem Beschäftigungsort während der Woche führen dabei für sich genommen noch nicht zu einer Verlagerung des Lebensmittelpunktes.

2. Dagegen verlagert sich i. d. R. der Mittelpunkt der Lebensinteressen an den Beschäftigungsort, wenn der Arbeitnehmer dort mit seinem Ehepartner in eine familiengerechte Wohnung einzieht, auch wenn die frühere Familienwohnung beibehalten und zeitweise noch genutzt wird (BFH v. 1.2.2012, VI B 88/11, juris, unter Hinweis auf BFH v. 9.7.2008, VI B 4/08, BFH/NV 2008, 2000; FG München v. 31.3.2011, 5 K 2018/10, juris).

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5

 

Tenor

1. Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids vom 22. August 2012 und der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2013 wird die Einkommensteuer 2011 auf 6.466 EUR festgesetzt.

2. Das Finanzamt trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Kläger die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leisten.

 

Tatbestand

I.

Streitig ist, ob Mehraufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung im Sinne des § 9 Absatz 1 Satz 3 Nr. 5 Einkommensteuergesetz (EStG) als Werbungskosten zu berücksichtigen sind.

Die Kläger wurden im Streitjahr 2011 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt und erzielten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als Kfz-Mechaniker (Ehemann, Kläger zu 1) und als Schreiner (Ehefrau, Klägerin zu 2). Mit Erstwohnsitz sind die Kläger in S gemeldet. Das mit einem Zweifamilienhaus bebaute Grundstück in S wurde dem Kläger durch Überlassungsvertrag vom 6. August 1998 von seiner Mutter übertragen, die eine Wohnung in dem Anwesen bewohnt. Die Kläger nutzen eine Wohnung mit einer Fläche von 130 m². Aus beruflichem Anlass begründeten die Kläger am 1. Januar 1997 einen Zweitwohnsitz in B, wo sie bis zum 31. Dezember 2010 in der A-straße wohnten. Mit Kaufvertrag vom 6. September 2010 erwarben die Kläger eine 77 m² große Eigentumswohnung an der R-straße in B, von der aus sie ab dem Jahr 2011 ihren Beschäftigungen in B bzw. M nachgehen.

In den Einkommensteuerfestsetzungen bis einschließlich 2010 berücksichtigte das Finanzamt Fahrtkosten zum Mittelpunkt der Lebensinteressen im Rahmen der Entfernungspauschale und die Unterkunftskosten am Arbeitsort im Rahmen einer beruflich begründeten doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten der Klägerin. In ihrer für das Jahr 2011 abgegebenen Einkommensteuererklärung machten die Kläger wie in den Vorjahren Aufwendungen der Klägerin für eine beruflich bedingte doppelte Haushaltsführung von insgesamt 9.999 EUR geltend und beantragten insoweit den Abzug von Fahrtkosten in Höhe von 2.208 EUR (46 Fahrten × 160 km × 0,30 EUR) und erstmals Aufwendungen in Zusammenhang mit der Anschaffung und Nutzung der neu erworbenen Eigentumswohnung in B in Höhe von 7.791 EUR (unter anderem Afa, Schuldzinsen, Grundsteuer, Reparaturkosten, Kücheneinrichtung). Das Finanzamt ließ die Aufwendungen jedoch unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), nach der bei einem verheirateten Arbeitnehmer der Mittelpunkt der Lebensinteressen grundsätzlich an dem Ort liege, an dem auch der Ehegatte wohne, nicht mehr zum Abzug zu (Einkommensteuerbescheid 2011 vom 22. August 2012).

Der dagegen gerichtete Einspruch wurde mit Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 2013 als unbegründet zurückgewiesen.

Im Klageverfahren verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen mit Freundeskreis befinde sich in S. Bankgeschäfte würden nach wie vor bei der dortigen Bank abgewickelt. Allein schon wegen des Gesundheitszustandes der mittlerweile 78 Jahre alten alleinstehenden Mutter, die zunehmend pflegebedürftiger werde, sei ein regelmäßiger Aufenthalt in S erforderlich, der Kläger fahre daher auch unter der Woche nach S, sofern dies beruflich möglich sei. Dabei kümmere er sich um das Anwesen und den Garten und pflege auch Gräber der verstorbenen Angehörigen. Die Wohnung in B diene nur als Schlafgelegenheit unter der Woche und sei gekauft worden, weil die bisher angemietete Wohnung Mängel, unter anderem Schimmelbildung, aufwies und mit dem Vermieter keine Einigung erzielt werden konnte. Außerdem sei auch an die Vermögensbildung gedacht worden. Die Wohnung liege im Erdgeschoss und sei mit 77 qm nur geringfügig größer als die zuvor angemietete Wohnung. Es könne nicht den Klägern angelastet werden, dass sie die gesundheitlich unbefriedigende Wohnsituation beendet hätten und sich eine vergleichbare Wohnung gekauft anstatt gemietet zu haben. Sobald die Kläger nach...

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