Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Saldierung von fingierten Veräußerungsgewinnen mit fingierten Veräußerungsverlusten im Rahmen der Wegzugsbesteuerung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei der nach § 6 Abs. 1 S. 1 AStG im Zeitpunkt eines Wegzugs aus Deutschland erfolgenden Besteuerung des Vermögenszuwachses aus wesentlichen Beteiligungen i. S. d. § 17 Abs. 1 S. 1 EStG finden nur solche Beteiligungen Berücksichtigung, für die sich im Wegzugszeitpunkt ein fingierter Wertzuwachs errechnet.

2. Anteile, für die sich eine fingierte Wertminderung errechnet, können auch dann nicht berücksichtigt werden, wenn nach Verrechnung mit den fingierten Wertzuwächsen in der Summe ein positiver Saldo verbliebe.

 

Normenkette

AStG § 6 Abs. 1 S. 1; EStG § 17 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 26.04.2017; Aktenzeichen I R 27/15)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob in die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AußensteuergesetzAStG –, welche durch einen Wechsel der Ansässigkeit der Kläger nach Österreich zum 1. Juli 2009 ausgelöst wurde, nur die sich zu diesem Zeitpunkt errechnenden fingierten Veräußerungsgewinne an wesentlichen Beteiligungen einzubeziehen sind oder ob eine Saldierung mit sich auf diesen Zeitpunkt errechnenden fingierten Veräußerungsverlusten zu erfolgen hat.

Bis zum 30. Juni 2009 hatten die Kläger sowohl in Deutschland als auch in Österreich eine ständige Wohnstätte, wobei bis zu diesem Zeitpunkt, was zwischen den Beteiligten unstreitig und objektiv nicht anzuzweifeln ist, der Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in Deutschland lag. Durch Aufgabe der ständigen Wohnstätte in Deutschland wurden die Kläger zum 1. Juli 2009 in Österreich ansässig.

Ebenfalls unstreitig unter den Beteiligten und objektiv auch nicht anzuzweifeln ist, dass die Kläger vor ihrem Wegzug nach Österreich mindestens 10 Jahre nach § 1 Abs. 1 EinkommensteuergesetzEStG – einkommensteuerpflichtig waren.

Zum Zeitpunkt des Wegzugs verfügte der Kläger über 5 Beteiligungen, die sich als Anteile im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG an einer Kapitalgesellschaft qualifizieren, an deren Kapital der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre unmittelbar oder mittelbar zu mindestens 1 Prozent beteiligt war.

Über die gem. § 17 Abs. 2 EStG sich auf den Wegzugszeitpunkt ergebenden Werte haben sich die Beteiligten tatsächlich verständigt. Ein fingierter Veräußerungsgewinn errechnete sich danach auf den 30. Juni 2009 für die X-GmbH in Höhe von 348.282 EUR und für die Y-GmbH in Höhe von 1.205.002 EUR, was unter Berücksichtigung des Teileinkünfteverfahrens (§ 3 Nr. 40 c) EStG) zum Ansatz eines Wertes (60%) von 931.970 EUR führte. Fingierte Veräußerungsverluste auf den 30. Juni 2009 wurden für die Z-Holding AG in Höhe von 270.430 EUR, für die L-AG mit 306.649 EUR und für die H-AG mit 47.511 EUR ermittelt.

Eine Berücksichtigung fingierter Veräußerungsverluste erfolgte im Rahmen der Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 2009 vom 14. Januar 2013 nicht.

Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer rechtzeitig erhobenen Sprungklage, welche dem Finanzamt am 25. Februar 2013 zugestellt wurde. Der Durchführung einer Sprungklage hat das Finanzamt mit Schreiben vom 7. März 2013 zugestimmt.

Sie vertreten die Ansicht, im Rahmen der Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG in dessen Neufassung, welche durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften (SEStEG vom 7. Dezember 2006, gültig ab 13. Dezember 2006, BGBl I 2006, 2782, berichtigt BGBl I 2007, 68) erfolgt sei, seien sowohl (fingierte) Veräußerungsgewinne, wie auch (fingierte) Veräußerungsverluste zu berücksichtigen oder zumindest eine Saldierung von (fingierten) Veräußerungsgewinnen mit (fingierten) Veräußerungsverlusten vorzunehmen.

Die Ansicht, welche bislang davon ausgegangen sei, § 6 AStG umfasse nur positive Beträge, wie auch im Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. Februar 1990 I R 43/86, BStBl II 1990, 615 vertreten, sei zwischenzeitlich systematisch verfehlt und auch durch die Neufassung des § 6 AStG als veraltet anzusehen.

Selbst wenn man dennoch auf das Erfordernis eines positiven Vermögenszuwachses abstellen wollte, läge ein solcher auch dann vor, wenn bei der Saldierung von Vermögensgewinnen und -verlusten im Sinne des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ein Vermögenszuwachs verbleibe. So zeichne die Besonderheit den Streitfall aus, dass mehrere Beteiligungen und nicht nur eine, wie im Fall des BFH, BStBl II 1990, 615 zu berücksichtigen seien.

Angesichts der Neufassung sei allerdings davon auszugehen, dass § 17 EStG auch ohne tatsächlich erfolgte Veräußerung vollumfänglich anzuwenden sei, wozu auch die Berücksichtigung fiktiver Veräußerungsverluste gehöre. Nur ein solches Verständnis werde der Grundkonzeption der Wegzugsbesteuerung gerecht, im Sinne einer weitreichenden Realisierungsfiktion eine sachgerechte Abgrenzung d...

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