Entscheidungsstichwort (Thema)

Offenbare Unrichtigkeit bei vom Erklärungsformular abweichender Rechtsmeinung

 

Leitsatz (redaktionell)

Wurden Gewinne aus Stillhaltergeschäften in der der Steuererklärung beigefügten Bankbescheinigung „nur” § 22 EStG zugeordnet, hat die für den Steuerberater tätige Steuerfachgehilfin zwar aufgrund eigener Überlegungen in einer Auflistung die Gewinne unzutreffend den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i. V. m. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG 2005) zugeordnet und die Anlage SO entsprechend unrichtig ausgefüllt, waren diese Überlegungen aus der Steuererklärung samt Anlagen jedoch für einen Dritten nicht ersichtlich, hat die Sachbearbeiterin des FA deswegen ohne eigenständige Überprüfung der Stillhaltergeschäfte diese fehlerhafte Eintragung übernommen und sind deswegen unzutreffend nicht Gewinne nach § 22 Nr. 3 EStG, sondern als Gewinne aus privaten Veräußerungsgeschäften angesetzt worden, die mit einem Verlustvortrag aus privaten Veräußerungsgeschäften verrechnet werden konnten, so liegt eine offenbare Unrichtigkeit i. S. d. § 129 AO vor.

 

Normenkette

AO § 129 S. 1; EStG 2005 § 22 Nrn. 2-3, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 4

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 16.09.2015; Aktenzeichen IX R 37/14)

 

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob es rechtmäßig war, dass das Finanzamt (FA) die Festsetzung der Einkommensteuer 2005 unter Berufung auf die Änderungsvorschrift des § 129 AbgabenordnungAO – wegen einer offenbaren Unrichtigkeit geändert hat und dabei die ursprünglich erfolgte Berücksichtigung eines Stillhaltergeschäftes bei den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG in der Fassung des Streitjahres) den Einkünften aus sonstigen Leistungen (§ 22 Nr. 3 EStG) zugeordnet hat.

Die Einkommensteuererklärung des Klägers für das Jahr 2005 ist beim Finanzamt am 31. Januar 2007 eingegangen. Die Eintragungen in der Erklärung wurden durch die steuerliche Vertreterin und Prozessbevollmächtigte des Klägers vorgenommen.

Im Formular der „Anlage SO”, welches auf seiner Rückseite mit „Private Veräußerungsgeschäfte” überschrieben ist, erfolgte bei der Kennziffer 116 „Gewinne/Verluste aus weiteren Veräußerungen von anderen Wirtschaftsgütern (Erläuterungen bitte auf einem anderen Blatt)/Nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend/Steuerpflichtiger” der Eintrag „s. Ergänzung zur Anlage SO 41.109”.

Eine zur Steuererklärung des Klägers zusammengestellte „Ergänzungsliste zur Anlage SO” wurde von der steuerlichen Beraterin betitelt „private Veräußerungsgeschäfte”. In der Liste sind sechs Geschäfte benannt und erläutert, jeweils beginnend mit dem Text „anderes Wirtschaftsgut”. Das letzte Geschäft auf dieser Liste ist bezeichnet als „anderes Wirtschaftsgut: Stillhaltergeschäft lt. Zusammenf. H-Bank 23.5.06, Zeitpunkt der Anschaffung 01.01.2005, Zeitpunkt der Veräußerung 31.12.2005 Nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend …Gewinn/Verlust 41.295 EUR”. Als Beleg zu diesem Geschäft ist ein Schreiben der H-Bank beigelegt „…§ 22 EStG (Stillhaltergeschäfte)…” und die entsprechenden Zahlen dazu. Auf dem Schreiben sind handschriftliche Anmerkungen mit blauem Kugelschreiber erfolgt.

Die Saldierung der Beträge auf der Ergänzungsliste SO, welche auf Geschäfte entfallen, die der Kläger als nicht dem Halbeinkünfteverfahren unterliegend qualifiziert hat, ergibt den unter Kennziffer 116 eingetragenen Betrag von „41.109”.

Auf der Vorderseite des Formulars der Anlage SO ist eine Rubrik „Leistungen” benannt, in der aufgefordert wird „Einnahmen aus Stillhaltergeschäften im Optionshandel” einzutragen. Die Summe der Einnahmen aus solchen Geschäften soll unter Kennziffer 164 zusammengefasst werden, die Summe der Werbungskosten unter Kennziffer 176.

Weder von Seiten des Klägers respektive dessen steuerlicher Vertreterin, noch von Seiten des Finanzamts wurden hier Eintragungen vorgenommen.

Mit Schreiben vom 13. Juni 2007 baten die Sachbearbeiterinnen des Finanzamts um Nachreichung von Unterlagen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen und kündigten eine beabsichtigte Abweichung von der Erklärung wegen der Berücksichtigung ausländischer Quellensteuer an.

Die Beantwortung dieses Schreibens durch den Kläger erfolgte am 29. Juli 2007. Mit dem Schreiben wurden weitere Werbungskosten im Zusammenhang mit Spekulationsgeschäften und Einkünften aus Kapitalvermögen geltend gemacht.

Die Bearbeiterin des Finanzamts hakte den unter Kennziffer 116 in der Steuererklärung eingetragenen Betrag von „41.109” ab und nahm mit brauner Farbe Eintragungen unter Bezugnahme auf das Schreiben vom 29. Juli 2007 vor. In der Verfügung zur Steuererklärung vom 7. August 2007 trug sie ein, dass von der Steuererklärung unter vorheriger Anhörung des Steuerpflichtigen abgewichen worden sei und dass die Abweichungen im Bescheid erläutert worden seien.

Durch das Belassen der Einkünfte aus dem Stillhaltergeschäft in dem unter Kennziffer ...

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