Entscheidungsstichwort (Thema)

Örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichts bei Beklagtenwechsel; Kindergeld bei Behinderung des Kindes

 

Leitsatz (redaktionell)

1.) Wird nach Erhebung der Klage statt der ursprünglich beklagten eine andere Finanzbehörde für die Steuerfestsetzung zuständig und beruht dieser Zuständigkeitswechsel auf einem Organisationsakt der Finanzverwaltung, tritt die zuständig gewordene Behörde an die Stelle des bisherigen Beklagten in den anhängigen Rechtsstreit ein. Die örtliche Zuständigkeit des Finanzgerichts bleibt hiervon unberührt.

2.) Ein Anspruch auf Kindergeld für ein behindertes Kind besteht nur dann, wenn das Kind wegen der Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten und seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, wenn das Kind ausweislich eines medizinischen Gutachtens einer zumindest 20 Stunden pro Woche umfassenden Tätigkeit nachgehen kann.

 

Normenkette

FGO §§ 38, 70 S. 1; EStG § 62 Abs. 1 Nr. 1, § 63 Abs. 1 Nr. 1, § 32a Abs. 4 S. 1 Nr. 3; GVG § 17 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 14.01.2010; Aktenzeichen III R 49/07)

 

Tatbestand

Der Kläger hat eine am … 1978 geborene Tochter …, welche seit 1986 zu 50 vH schwerbehindert ist. Die Tochter des Klägers wurde 1984 eingeschult, besuchte dann bis 1994 die allgemeinbildende Schule und bis 1998 das Wirtschaftsgymnasium. Danach absolvierte sie in Vollzeit ein 10-monatiges Berufspraktikum. Am … 1999 schloß sie mit der Berufsschule für Technik in … einen Ausbildungsvertrag über die Ausbildung zur staatlich geprüften Gestaltungstechnischen Assistentin. Die Ausbildung dauerte nach dem Vertrag vom 6. September 1999 bis zum 31. August 2001 (auf den Lehrvertrag in den Kindergeldakten wird verwiesen), bis zu diesem Zeitpunkt zahlte ihr Vater auch Schulgeld, ihr Zeugnis erhielt seine Tochter allerdings bereits am 27. Juni 2001. Gemäß einer Mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit vom 25. Juni 2001 war die Tochter des Klägers seit dem 28. Juni 2001 als arbeitslos beim Arbeitsamt … gemeldet.

Auf Antrag des Klägers setzte die damals zuständige Oberfinanzdirektion … für dessen Tochter zunächst Kindergeld für den Zeitraum 1. September 1999 bis 31. August 2001 fest. Die Festsetzung beruhte auf § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil die Tochter nach den Angaben des Klägers die vorgenannte Ausbildung absolvierte. Der Kläger beantragte allerdings am 30. August 2001 die weitere Kindergeldfestsetzung und legte dem Antrag die Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit bei. Daraufhin hob der Beklagte am … 2001 die Kindergeldfestsetzung für die Monate Juli und August 2001 auf und forderte den überzahlten Betrag in Höhe von DM 540 zurück. Zur Begründung gab er an, dass sich die Tochter nicht mehr in einer Ausbildung befinde und eine Festsetzung wegen Arbeitslosigkeit ausscheide.

Gegen den vorgenannten Bescheid legte der Kläger am … 2001 Einspruch ein, den er im Wesentlichen wie folgt begründete: Die Ausbildung habe nach dem Vertrag bis Ende August 2001 gedauert, weshalb auch ein Kindergeldanspruch bestehe. Im Übrigen sei seine, des Klägers, Tochter schwerbehindert und daher i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG außerstande, sich selbst zu unterhalten.

Auf Nachfragen übersandte der Kläger dazu eine Kopie des Schwerbehinderten – ausweises seiner Tochter, wonach eine Behinderung von 50 vH besteht (auf die Kopie des Ausweises in den Kindergeldakten wird verwiesen). Der Beklagte beauftragte daraufhin die Reha/SB-Stelle des zuständigen Arbeitsamtes … mit der Überprüfung des Falles. Diese kam auf Grund amtsärztlicher Begutachtung zu der Einschätzung, dass die Tochter des Klägers in der Lage sei, eine arbeitslosenversicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung unter üblichen Bedingungen auszuüben.

Der Kläger schaltete auf Grund der langen Bearbeitungszeit des Einspruchs mit Schreiben vom … 2002 den Beauftragten der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen ein, welche dieser zur Stellungnahme an den Beklagten weiterleitete. Der Beklagte gab daraufhin eine Stellungnahme gegenüber der mit der Fachaufsicht betrauten Behörde ab, die ihn bat, den Einspruch bis zur Entscheidung über die Beschwerde nicht zu bescheiden. Auf Untätigkeitsbeschwerde des Klägers vom 25. März 2003 hin erteilte der Beklagte diesem dann aber zunächst am … 2003 eine Sach- und Rechtsauskunft und erließ dann am … 2003 die Einspruchsentscheidung, mit der er den Einspruch als unbegründet zurückwies. Zwar habe bis Ende August 2001 ein Ausbildungsvertrag bestanden, tatsächlich sei die Tochter aber seit dem 28. Juni 2001 arbeitslos gemeldet gewesen, weshalb sie in diesem Zeitraum kein Kind in Ausbildung mehr gewesen sei. Die Tochter sei auch in der Lage, sich selbst zu unterhalten, weil dies die konkrete Bewertung der Einzelfallumstände durch einen Arzt der Reha/SB-Stelle des Arbeitsamtes ergeben habe.

Gegen den Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom … 2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ...

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