Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer: Entfernungspauschale für Fahrten eines -Offiziersanwärters von der Wohnung zur Universität der Bundeswehr

 

Leitsatz (amtlich)

Während des Hochschulstudiums eines Bundeswehrsoldaten im Rahmen seiner Ausbildung zum Offizier an einer Bundeswehruniversität ist diese als betriebliche Einrichtung seines Arbeitgebers seine regelmäßige Arbeitsstätte. Die Aufwendungen für die Fahrten von der weiter entfernt liegenden Wohnung am Ort des Lebensmittelpunktes zur Hochschule sind folglich nach Maßgabe der Entfernungspauschale zu berechnen.

 

Normenkette

EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 4

 

Tatbestand

Streitig ist, ob für Fahrten vom Wohnort zur Hochschule die Entfernungspauschale oder die tatsächlichen Aufwendungen zu berücksichtigen sind.

Der Kläger bezog in den Streitjahren 2011 und 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war am 5. November 2008 in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen worden und zunächst als Offiziersanwärter bei dem Ausbildungsbataillon in A stationiert. Seine Dienstzeit dauert 13 Jahre und endet regulär am ... 2021; er hat die Offizierslaufbahn mit Studium eingeschlagen, die Studiendauer war mit vier Jahren und drei Monaten eingeplant. Seit dem 1. Oktober 2009 studierte er an der Universität der Bundeswehr/B-Universität in Hamburg. Ab dem 23. September 2013 verrichtet er seinen Dienst in C.

Gemäß der Verwaltungsvorschrift über die Verpflichtung zum Wohnen in Gemeinschaftsunterkunft - ZDv 70/01 - (Anlage zum klägerischen Schriftsatz vom 31. Dezember 2014) hatte der Kläger seinen Wohnsitz in den Streitjahren auf dem Universitätsgelände. Sein Lebensmittelpunkt befand sich -zwischen den Beteiligten unstreitig- in den Streitjahren nicht in Hamburg, sondern in D, und zwar lebte er im Veranlagungszeitraum 2011 bis zum 30. Juni 2011 in der elterlichen Wohnung in E. Ab 1. Juli 2011 bezog er mit seiner Lebensgefährtin eine Wohnung in F; zum Jahreswechsel 2011/2012 verzogen beide in eine gemeinsame Wohnung in G.

In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2011 machte der Kläger als Werbungskosten die Entfernungspauschale für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (13 Heimfahrten à ... km von Hamburg nach E und 17 Heimfahrten à ... km nach F) mit dem Höchstbetrag ... € geltend. Im Folgejahr erklärte er 28 Heimfahrten à ... km von Hamburg nach G mit einer Entfernungspauschale von ... €. Mit Einkommensteuerbescheiden vom 17. Mai 2013 (für 2011) und vom 29. Oktober 2013 (für 2012) berücksichtigte der Beklagte unter Berufung auf neuere Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die Fahrtkosten nicht mit der Entfernungspauschale, sondern nach Reisekostengrundsätzen in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen (... € bzw. ... €). Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 17. Juni 2014 und 1. November 2014, mit denen sich der Kläger darauf berief, dass die Universität der Bundeswehr eine Einrichtung des Arbeitgebers sei und deshalb dort eine regelmäßige Arbeitsstätte begründet worden sei; folglich sei die Entfernungspauschale anzuwenden. Gegen die zurückweisende Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2014 hat der Kläger am 11. Juni 2014 Klage erhoben.

Der Kläger ist der Ansicht, dass die Reisekosten mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen seien. Er habe sich in der Ausbildung zum Offizier befunden, deren Bestandteil das Studium an der Universität der Bundeswehr sei. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 27. Februar 2014 (III R 60/13) seien Fahrtaufwendungen im Rahmen eines Ausbildungsverhältnisses zum Ausbildungsbetrieb mit der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.

Der Kläger beantragt,

die Einkommensteuerbescheide für 2011 vom 17. Mai 2013 und für 2012 vom 29. Oktober 2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2014 mit der Maßgabe zu ändern, dass in 2011 weitere Werbungskosten in Höhe von ... € und in 2012 in Höhe von ... € berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte bezieht sich auf die BFH-Urteile vom 9. Februar 2012 (VI R 42/11 und VI R 44/11). Danach seien bei einem regelmäßig vorübergehend und nicht auf Dauer angelegten Hochschulstudium für die Fahrtkosten die tatsächlich entstandenen Aufwendungen nach Reisekostengrundsätzen zu berücksichtigen. Die von dem Kläger zitierte Entscheidung vom 27. Februar 2014 (III R 60/13) sei auf den Streitfall nicht anzuwenden, weil sie sich auf eine innerbetriebliche Ausbildung beziehe und nicht auf ein Hochschulstudium.

Die den Kläger betreffenden Einkommensteuerakten zur Steuernummer .../.../... haben vorgelegen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache Erfolg.

I.

Die angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Der Beklagte hat die streitigen Reisekosten zu Unrecht nur in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen steuermindernd berücksichtigt.

  1. Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind Aufwendungen, die objektiv durch die berufliche Tätigkeit veranlasst sind und die subjektiv zur...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Steuer Office Premium. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge