Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbschaftsteuerfreibetrag bei Erwerb eines inländischen Grundstücks durch beschränkt steuerpflichtigen Erben – Ungleichbehandlung mit gebietsansässigen Steuerpflichtigen

 

Leitsatz (redaktionell)

Für den Erwerb eines inländischen Grundstücks im Erbwege durch einen in der Schweiz ansässigen Erben ist in gemeinschaftsrechtkonformer Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in gleicher Weise wie im Fall eines der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegenden gebietsansässigen Erben der Steuerfreibetrag in Höhe von 500.000 Euro zu gewähren (vgl. EuGH-Urteil vom 17. Oktober 2013 Rs. C-181/12).

 

Normenkette

ErbStG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 S. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2; EG Art. 56, 58

 

Tatbestand

Der Kläger ist Schweizer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in der Schweiz. Der Kläger schloss mit der in Deutschland geborenen Erblasserin WS am … Juni 1981 in der Schweiz die Ehe. Dadurch erwarb die Erblasserin die Staatsangehörigkeit der Schweiz. Seit der Eheschließung lebten der Kläger und die Erblasserin in der Schweiz.

Die Erblasserin verstarb am…März 2009 in der Schweiz. Sie wurde vom Kläger allein beerbt. Die Erblasserin war Eigentümerin eines in X belegenen Grundstücks. Den Grundbesitzwert für das Grundstück stellte das Finanzamt X auf den Todestag der Erblasserin mit 329.200 Euro fest. Ferner war die Erblasserin Inhaberin von Konten bei zwei Banken in Deutschland, die Guthaben von insgesamt 33.689,72 Euro aufwiesen. Darüber hinaus war sie Inhaberin von Konten bei Schweizer Banken, die Guthaben von insgesamt umgerechnet 169.508,04 Euro aufwiesen.

Von dem Kläger wurde in der Schweiz keine Erbschaftsteuer erhoben.

Das beklagte Finanzamt setzte gegen den Kläger erstmals mit Bescheid vom 1. März 2010 Erbschaftsteuer fest. Dabei unterwarf es nur das in X belegene Grundstück der Erblasserin einer Besteuerung und berücksichtigte einen persönlichen Freibetrag von lediglich 2.000 Euro. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

Mit Bescheid vom 31. Oktober 2011 setzte das beklagte Finanzamt die Erbschaftsteuer auf 41.450 Euro neu fest. Dabei unterwarf es das in X belegene Grundstück der Erblasserin mit einem Wert von 329.200 Euro abzüglich einer Pauschale für Erbfallkosten von 10.300 Euro einer Besteuerung. Von der sich hiernach ergebenden Bemessungsgrundlage von 318.900 Euro zog es wiederum nur einen persönlichen Freibetrag von 2.000 Euro ab.

Den Einspruch des Klägers wies das beklagte Finanzamt mit Entscheidung vom 23. Januar 2012 zurück. Zur Begründung führte es aus: Der Kläger unterliege mit seinem Erwerb von Todes wegen hinsichtlich des in X belegenen Grundstücks der beschränkten Erbschaftsteuerpflicht. Daher könne ihm nach § 16 Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nur ein Freibetrag von 2.000 Euro gewährt werden.

Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Die Ungleichbehandlung von gebietsansässigen und gebietsfremden Steuerpflichtigen verstoße gegen die durch den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) gewährleistete Kapitalverkehrsfreiheit.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 aufzuheben.

Das beklagte Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) hat auf Vorlagebeschluss des Senats vom 2. April 2012 mit Urteil vom 17. Oktober 2013 (Rs. C-181/12) entschieden, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie einer Regelung eines Mitgliedstaats über die Berechnung von Erbschaftsteuer entgegenstehen, die für den Fall des Erwerbs eines im Gebiet dieses Staates belegenen Grundstücks durch Erbanfall vorsieht, dass der Freibetrag auf die Steuerbemessungsgrundlage dann, wenn der Erblasser und der Erwerber zum Zeitpunkt des Erbfalls ihren Wohnsitz in einem Drittland wie der Schweizerischen Eidgenossenschaft hatten, niedriger ist als der Freibetrag, der zur Anwendung gekommen wäre, wenn zumindest eine dieser beiden Personen zu diesem Zeitpunkt ihren Wohnsitz in dem genannten Mitgliedstaat gehabt hätte.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet. Der Erbschaftsteuerbescheid vom 31. Oktober 2011, der nach § 365 Abs. 3 Satz 1 der Abgabenordnung Gegenstand des Einspruchsverfahrens geworden ist, in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23. Januar 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das beklagte Finanzamt hat die Erbschaftsteuer zu Unrecht gegen den Kläger festgesetzt.

Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG, das im Streitfall in der Fassung des Art. 1 des Gesetzes zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts vom 24. Dezember 2008 (Bundesgesetzblatt Teil I, Seite 3018) anzuwenden ist, gilt als steuerpflichtiger Erwerb die Bereicherung des Erwerbers, soweit sie nicht steuerfrei ist. Der Erwerb des Klägers von Todes wegen (§§ 2 Abs....

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