Entscheidungsstichwort (Thema)

Erweiterung des Prüfungszeitraums bei erstmaliger Prüfungsanordnung – Verdacht einer Steuerstraftat

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Ob mit die Erweiterung des Prüfungszeitraums rechtfertigenden nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen ist oder der Verdacht einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit besteht, beurteilt sich nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, d. h. der Einspruchsentscheidung (vgl. BFH-Rspr.).
  2. Dies gilt gleichermaßen bei der unmittelbaren Anordnung einer Außenprüfung für mehr als drei Veranlagungszeiträume wie auch bei der Erweiterung einer bereits begonnen Außenprüfung.
  3. Die Einleitung eines Steuerstrafverfahrens hindert weitere Ermittlungen durch die Außenprüfung nicht.
 

Normenkette

AO § 121 Abs. 1, § 126 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 193 Abs. 1, § 194 Abs. 1 S. 2, § 393 Abs. 1 S. 1; BpO 2000 § 4 Abs. 3 S. 2; FGO § 102 S. 1

 

Nachgehend

BFH (Beschluss vom 26.08.2014; Aktenzeichen IV B 133/13)

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung.

Die Klägerin ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der Herr „A” und Herr „B” zu je 50% beteiligt sind. Die Klägerin betreibt seit 1995 in „E-Stadt” den Restaurationsbetrieb „C”. Der Gesellschafter Herr „B” ist nicht in das operative Tagesgeschäft des Restaurationsbetriebs eingebunden.

Der Gesellschafter Herr „A” gab am 08.02.2011 eine Selbstanzeige bei dem Beklagten ab. In dieser erklärte er für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2009 Einkünfte aus Kapitalvermögen von insgesamt über 130.000 € nach.

Die Klägerin gab mit Schreiben vom 25.03.2011 für alle noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträume eine Erklärung nach § 153 der Abgabenordnung (AO) gegenüber dem Beklagten ab. Darin führte sie aus, der Gesellschafter Herr „A” habe jährlich ca. 24.000 € Einnahmen aus Trinkgeldern erzielt, die bisher entsprechend der Regelung in § 3 Nr. 51 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als steuerfrei behandelt worden seien.

Mit Prüfungsanordnung vom 27.08.2012 – die keine weitere Begründung enthielt – ordnete der Beklagte bei der Klägerin gem. § 193 Abs. 1 AO die steuerliche Außenprüfung für die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer 2000 bis 2010 an.

Der Beklagte begann am 28.08.2012 mit der Außenprüfung. Am selben Tag fand eine Durchsuchung der Räumlichkeiten der Klägerin durch Beamte des Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…” statt. Im Rahmen der Außenprüfung reichte die Klägerin die Buchführungsunterlagen für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 beim Beklagten ein.

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 03.09.2012 gegen die Prüfungsanordnung Einspruch ein. Sie machte geltend, der Prüfungszeitraum dürfe regelmäßig nur drei zusammenhängende Besteuerungszeiträume umfassen. Sofern dieser regelmäßige Prüfungszeitraum überschritten werde, bedürfe die Prüfungsanordnung einer substantiierten Begründung.

Der Beklagte führte mit Schreiben vom 13.09.2012 aus, die Prüfungsanordnung umfasse gem. § 194 Abs. 1 Satz 2 AO i. V. m. § 4 Abs. 3 Satz 2 der Betriebsprüfungsordnung (BpO 2000) den Prüfungszeitraum von 2000 bis 2010, da der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe und mit nicht unerheblichen Änderungen der Besteuerungsgrundlagen zu rechnen sei.

Im September 2012 gelangte der Beklagte aufgrund einer anonymen Anzeige in den Besitz von an die Klägerin adressierten Lieferscheinen, die ihn vermuten ließen, der Wareneinkauf sei in der Buchführung der Klägerin nicht vollständig erfasst.

Das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…” leitete daraufhin ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung gegen Herrn „A” ein.

Mit Schreiben vom 30.10.2012 erweiterte das Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung „…” das Strafverfahren gegen den Gesellschafter Herrn „B” wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Rahmen des Besteuerungsverfahrens der Klägerin für die Jahre 2005 bis 2010.

Am 14.11.2012 fand eine Schlussbesprechung im Rahmen der Außenprüfung für die Veranlagungszeiträume 2008 bis 2010 statt, die Hinzuschätzungen anhand eines Zeitreihenvergleichs zum Gegenstand hatte.

Der Beklagte, der den Einspruch dahingehend auslegte, dass sich dieser nur gegen die Prüfungsanordnung für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2007 richte, wies diesen mit Einspruchsentscheidung vom 16.11.2012 als unbegründet zurück. Er führte im Wesentlichen aus, dass der Prüfungszeitraum gem. §4 Abs. 3 Satz 2 BpO 2000 drei Besteuerungszeiträume übersteigen könne, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat bestehe. Diese Voraussetzung liege im Streitfall vor. Diese Voraussage werde gestützt auf die Einleitung der Strafverfahren in Sachen der einzelnen Gesellschafter der Klägerin hinsichtlich des Verdachts von Schwarzeinnahmen und deren Zuordnung unter Berücksichtigung der dem Beklagten vorliegenden Unterlagen und Erkenntnisse. D...

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