Entscheidungsstichwort (Thema)

Telefonische Beratungsleistungen – sog. „Gesundheitstelefon” nicht umsatzsteuerbefreit

 

Leitsatz (redaktionell)

Telefonische Beratungsleistungen, die ein Gesundheitsdienstleister im Auftrag von Krankenkassen und Pharmaunternehmen im Rahmen des Betriebs eines Gesundheitstelefons und von Patientenbegleitprogrammen durch medizinisches Fachpersonal (Ärzte, Krankenschwestern, medizinische Fachangestellte) erbringt, sind keine umsatzsteuerfreien Heilbehandlungen i.S.v. § 4 Nr. 14 UStG, da sie einer Beratung im Rahmen eines konkreten, der Diagnose, Behandlung, Vorbeugung und Heilung von Krankheiten oder Gesundheitsstörungen dienenden Arzt-Patientenverhältnisses nicht gleichartig sind und auch nicht in einem unmittelbaren Bezug zu einer konkreten Heilbehandlung stehen.

 

Normenkette

UStG § 4 Nr. 14 Buchst. a, b; RL 2006/112/EG Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c

 

Nachgehend

BFH (Urteil vom 23.09.2020; Aktenzeichen XI R 6/20 (XI R 19/15))

BFH (Urteil vom 23.09.2020; Aktenzeichen XI R 6/20)

BFH (Beschluss vom 18.09.2018; Aktenzeichen XI R 19/15)

 

Tatbestand

Streitig ist, ob ein Teil der von der Klägerin erbrachten telefonischen Beratungsleistungen als Gesundheitsdienstleistungen gemäß § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit ist.

Die Klägerin ist in der Rechtsform einer GmbH seit 2005 unternehmerisch tätig. Ihr Gesellschaftszweck ist unter anderem, im Auftrag von Anbietern von Gesundheitsdienstleistungen, hier insbesondere Krankenkassen und -versicherungen, Versorgungsleistungen aktiv zu unterstützen und somit einen qualitativ hochwertigen Beitrag zur Gesunderhaltung der Bevölkerung leisten. Dies schließt auch den Handel mit elektronischen Endgeräten, Literatur sowie EDV-Systemen ein.

Im Rahmen dieses Gesellschaftszwecks übernimmt die Klägerin für Krankenkassen und Pharmaunternehmen Aufgaben im Bereich der Patientenbetreuung. Die Klägerin betreibt für einige gesetzliche Krankenkassen (z. B. …) ein sogenanntes „Gesundheitstelefon”, bei dem Versicherte in medizinischer Hinsicht beraten werden. Zudem führt die Klägerin sowohl für gesetzliche Krankenkassen, …. … , als auch für Pharmaunternehmen sog. Patientenbegleitprogramme durch, an denen Patienten teilnehmen, die unter chronischen oder lang andauernden Krankheiten leiden, um mit einer laufenden Betreuung zu einer Verbesserung der gesundheitlichen Situation beizutragen.

Die Klägerin erbringt die Leistungen „Gesundheitstelefon” und die „Patientenbegleitprogramme” telefonisch. Die Mitarbeiter der Klägerin sind für die Anrufer in der Regel rund um die Uhr an jedem Tag erreichbar. Die telefonische Beratung wird mithilfe einer besonderen, von der Klägerin entwickelten Software (JCall) erbracht. Bei einem Anruf werden die Daten des Anrufers festgehalten, um sie bei jedem weiteren Anruf verfügbar zu haben. Die von den Anrufern genannten Erkrankungen werden nach dem Schlüssel der ICD 10 (International Statistical Classification of Diseases) kodiert. Das Programm generiert Empfehlungen, die auf die Parameter des jeweiligen Anrufers zugeschnitten sind.

Die Klägerin erbringt die telefonischen Beratungsleistungen durch Krankenschwestern und medizinische Fachangestellte (Arzthelfer), die größtenteils auch als Gesundheitscoach ausgebildet sind. Im Februar 2014 waren 16 Arzthelferinnen, 19 Krankenschwestern und Krankenpfleger sowie 2 Zahnarzthelferinnen bei der Klägerin fest angestellt. In mehr als einem Drittel aller Fälle wird zudem ein Arzt, regelmäßig ein Facharzt, hinzugezogen, der die Beratung übernimmt bzw. Anweisungen bei Rückfragen oder eine zweite Meinung erteilt. Im Februar 2014 standen der Klägerin hierzu 30 freiberufliche Fachärzte zur Verfügung. Zudem werden die Anrufe stichprobenartig durch den jeweiligen ärztlichen Leiter im Rahmen eines Qualitätscontrollings überprüft.

1. Gesundheitstelefon

Im Rahmen des Gesundheitstelefons richtet die Klägerin für die auftragerteilende Krankenkasse eine oder mehrere telefonische Informations-Hotlines ein, die für die Versicherungsnehmer rund um die Uhr erreichbar sind (…). Bei einem Anruf wird der Versicherungsnehmer automatisch an die Klägerin weitergeleitet, ohne darüber informiert zu werden, dass er mit einem externen Dienstleister und nicht mit der Krankenkasse spricht. Die Mitarbeiter der Klägerin melden sich mit ihrem Namen unter dem Namen der jeweiligen Krankenkasse.

Im Rahmen des Gesundheitstelefons ist die Klägerin zur Erbringung folgender Leistungen verpflichtet (…):

„Die fachgerechte Beantwortung allgemeiner sowie spezieller medizinischer Fragen aus allen medizinischen Fachgebieten (beispielsweise Krankheiten, Behandlungsmethoden, Behandlungsmöglichkeiten, Diagnoseverfahren, Vorsorgeuntersuchungen, physiotherapeutische Verfahren, Prophylaxe und gesunde Lebensführung, typengerechte Ernährung, Zahnprophylaxe, gesundheitsorganisatorische Fragen, alle Krankheiten und deren Symptome, allgemeine Beratungsleistungen zur ambulanten und stationären Versorgung).

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